GELD-Magazin, Oktober 2019
ne Gedanken über die Haushalte ma- chen, da sie die einzigen verbliebenen Schuldner für Pensionsfonds und andere Investoren sind, die in festverzinsliche Euro-Assets investieren müssen. EUROPA IST NICHT JAPAN Auch wenn Koo’s Handlungsemp- fehlungen die Situation in der Eurozone höchstwahrscheinlich entschärfen wür- de, ergeben sich doch erhebliche Umset- zungsschwierigkeiten im direkten Ver- gleich mit Japan. Besonders die Inho- mogenität der Währungsunion erzeugt eine eigene, europäisierte Version des Problems der Japanisierung. Europas großer Leistungsbilanzüberschuss spie- gelt Nordeuropas Sparneigung wider, die durch die Schwächen der Südländer und den daraus resultierenden verhältnis- mäßig schwachen Euro weiter vorange- trieben wird. Die dem entgegenwirkende Aufgabe des dafür vorteilhaften Dogmas fiskalpolitischer Zurückhaltung lässt jegliche Lösung in diesem Nord-Süd-Un- gleichgewicht in weite Ferne rücken. So- lange nationale Interessen Vorrang vor jenen der Währungsunion genießen, wird die Eurozone bis auf weiteres ab- hängig von Nachfrage-Stimuli des Rests der Welt bleiben. FISKALPOLITISCHE WENDE ODER REZESSION? Europa befindet sich demnach auf einem Scheideweg. Verschließt man die Augen vor dringend notwendigen strukturellen Reformen, einer weiter- gehenden Integration und gemein- samer fiskalpolitischer Maßnahmen und lässt man weiterhin dem politisch einfachen Weg der lockeren Geldpoli- tik den Vortritt, so könnte man im ge- genwärtigen Umfeld handelspolitischer Konflikte und wachsendem Protektio- nismus am Ende den Kürzeren ziehen. Die letzte WTO-Entscheidung zur Legiti- mierung amerikanischer Strafzölle gegen die EU (wegen Airbus-Subventionen) und Präsident Trumps prompte Reaktion zei- gen, wie schnell Europas bisweilige Beo- bachterrolle zum direkt Betroffenen um- schwenken kann. Auch wenn eine weitere Zuspitzung des Konflikts von allen Seiten derzeit ver- mieden werden dürfte, die sich derzeit ankündigende Rezession, gepaart mit wachsender geldpolitischer Machtlosig- keit und der großen Exportabhängigkeit, prädestinieren die Eurozone für ein kom- mendes verlorenes Jahrzehnt im Stile Japans. Es wäre daher anzuraten, die Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen. EUROPAS SCHRUMPFENDE BEVÖLKERUNG Nicht nur wirtschaftlich, sondern auch gesellschaftlich teilen Japan und Europa ein ähn- liches Schicksal – eine alternde Bevölkerung und rückgängige Geburtenraten. Seit 2005 übersteigen die Sterberaten die Geburten in Japan, was dazu führt, dass bereits heute eine von drei Personen älter als 60 Jahre ist. Europa ist, nach Japan, die nächste Region, die bald mit einem negativen Bevölkerungs- wachstum zu kämpfen haben dürfte. Die Zahl der Personen im arbeitsfähigen Alter nimmt sukzessive ab, während immer weniger Kinder geboren werden. Nach Zahlen von Eurostat soll der Höhepunkt der europäischen Bevölkerungszahl 2045 überschritten werden und da- nach dem Pfad Japans folgen. Diese Entwicklung erhöht in beiden Ländern den Druck auf die Arbeitskräfte, erhöht Pen sionsantrittsalter und kann zu zusätzlichen deflationären Tendenzen führen, wenn die Bevöl- kerung anstelle zu konsumieren einen wachsenden Anteil des Einkommens für die Alters- versorgung zur Seite legt. Ultraniedrige Zinsen können diesen Effekt zusätzlich verstärken, wenn die ausbleibenden Renditen die Furcht vor unzureichender Absicherung verstärken. Rezessionsgefahr und Japanifizierung | COVERSTORY Oktober 2019 – GELD-MAGAZIN | 11 jährlicheVeränderung der Bevölkerung Prognose 1960 1980 2000 2020 2040 Quelle:UNPopulationDivision (2017Revision) USA Japan Europa +6 Mio. +4 Mio. +2 Mio. +5 Mio. +3 Mio. +1 Mio. 0 -1 Mio.
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