GELD-Magazin, September 2019
duziert. Dafür muss der Wasserstoff er- zeugt, komprimiert, verflüssigt und zur Tankstelle transportiert werden. Doch obwohl die Technologie noch nicht voll- ständig ausgereift ist, gibt es immer wie- der große Fortschritte: So konnte bei- spielsweise Daimler den Anteil an Platin in Brennstoffzellen um 90 Prozent sen- ken und Linde die Technologie für die Wasserstoffspeicherung optimieren. Eine potenziell wichtige Quelle für die Herstellung von grünem Wasserstoff wird regenerativer Überschussstrom sein. Dabei handelt es sich um Energie, die zum Beispiel von Windparks nicht verkauft werden konnte, da keine akute Nachfrage zum Zeitpunkt der Energiege- winnung bestand. So wurden 2017 al- lein in Schleswig-Holstein 3,3 Milliar- den Kilowattstunden vernichtet – so viel, wie drei Millionen Deutsche im Jahr ver- brauchen. Diese Verschwendung kostete über 500 Millionen Euro. Auch in Sachen Infrastruktur sehen Experten Potenzial: Das Forschungs- zentrum Jülich geht davon aus, dass die Kosten hier schon bei einigen Milli- onen Brennstoffzellen-Autos niedriger sein würden, als bei dem Ausbau des Netzes für Batterie-Fahrzeuge. Während 2017 weltweit noch 6500 Fahrzeuge mit Brennstoffzelle abgesetzt wurden, sollen es im Jahr 2024 voraussichtlich 230.000 Fahrzeuge sein. Marktführer sind derzeit Toyota (vom Mirai wurden 10.000 Fahr- zeuge verkauft) und Hyundai. DIE ZUKUNFT DER BRENNSTOFFZELLEN Für den globalen Brennstoffzellen- markt sieht das Researchhaus BCC ein jährliches Wachstum von knapp elf Pro- zent bis 2024 auf ein Marktvolumen von knapp 24 Milliarden Dollar. In Deutsch- land soll der Branchenumsatz 2022 bei 2,6 Milliarden Euro liegen. Im vergange- nen Jahr waren es gerade mal 120 Millio- nen Euro. Bei unserem Nachbarn stehen aktuell 71 Wasserstofftankstellen, 386 Autos sind zugelassen. Bis 2030 werden nach Schätzung von Bosch bis zu 20 Pro- zent aller Elektrofahrzeuge weltweit mit Brennstoffzellen angetrieben, wobei der Konzern das größte Potenzial im Bereich der Nutzfahrzeuge und Züge sieht. Brennstoffzellen erzeugen in der „kal- ten Verbrennung“ aber nicht nur elek- trische, sondern auch Wärmeenergie. Durch das direkte Umwandeln nutzen Brennstoffzellen den Energiegehalt des Brennstoffs fast vollständig und sehr effi- zient. Die H 2 -Erzeugung aus überschüs- sigem Wind- oder Sonnenstrom ist in den letzten Jahren viel günstiger geworden. MÄRKTE & FONDS | Antriebstechnologien 48 | GELD-MAGAZIN – SEPTEMBER 2019 CREDIT: beigestellt Wo sehen Sie derzeit noch die größten Hürden? Der Wirkungsgrad eines batterieelektrischen Fahrzeugs liegt unseren Rechnungen zufolge – dabei ist Schnell- ladung inkludiert – bei 67 Prozent. Der hohe Wirkungs grad des Batterieantriebes berücksichtigt aber nicht, dass ein Teil des Stromes auch zwischengespeichert werden müsste. Dabei sind Batteriespeicher nur für sehr kurze Speicherzeiten von unter einem Tag geeig- net. Der Wirkungsgrad eines Brennstoffzellenfahrzeugs liegt bei etwa 38 Prozent – von der Stromquelle (Sonne oder Wind) bis zum Rad gerechnet. Ein Verbrennungs- fahrzeug hat derzeit einen Wirkungsgrad von rund 18 Prozent. Damit ist der Wirkungsgrad der Brennstoffzelle mit einem speicherbaren En- ergieträger mehr als doppelt so hoch – unter Berücksichtigung von 70 Prozent Wirkungsgrad der Elektrolyse sowie 60 Prozent Wirkungsgrad der Brennstoffzelle sowie weitere vier Prozentpunkte, die in der Distri- bution des Wasserstoffes als Verluste entstehen. Welches sind die Vorteile von H 2 als Treibstoff? Der Strom beim Laden des Batteriefahrzeugs muss direkt zur Verfü- gung stehen, während Wasserstoff ein Speichermedium darstellt und damit netztauglich ist. Das bedeutet, dass er zu Zeiten hoher erneuer barer Produktion aus Überschussstrom hergestellt, gespeichert und dann zu einem späteren Zeitpunkt dem Fahrzeug zugeführt werden kann. Eine derartige Zwischenspeicherung über meh- rere Tage bis hin zu einer Saison ist nur über Gase wirtschaftlich darstellbar. Hierbei stellt Wasserstoff den einfachsten und wirtschaftlichsten Pfad dar. Da stellt sich aber noch die Preisfrage… Das ist eine Frage der Massenproduktion und der Forschung. Seit dem Jahr 2000 bis heute ist der Platin- gehalt in einem Fahrzeug von etwa 200 Gramm auf 20 Gramm gesunken. Ein Zielwert von fünf bis zehn Gramm erscheint erreichbar. Damit würde sich das Fahrzeug im Bereich der heutigen Beladung von Verbrennungsmotoren mit Abgas- katalysatoren (fünf bis sieben Gramm) bewegen. Ähnliches gilt für die Leistungsdichte der Brennstoffzelle, die seit dem Jahr 2000 von unter einem Watt/Kilogramm auf heute sechs Kilowatt/Kilogramm gestiegen ist – eine Versechstausendfachung. Nach Untersuchungen des US-Energieministeriums liegen die derzeitigen Brennstoffzellen bei 39 Dollar pro Kilowatt, wenn sie in Massenproduktion produ- ziert würden. Zielwert sind hierbei 30 Dollar pro Kilowatt, was einem Verbrennungsmotor entspricht.Auch dabei ist zu sehen, dass der Ziel- wert erreichbar ist. Brennstoffzellenfahrzeuge sind, bezogen auf die Reichweite, derzeit nicht teurer, sondern billiger als Elektrofahrzeuge, wenn Reichweiten über 400 km erreicht werden sollen. In Zukunft wird Wasserstoff nur mehr zwei Cent kosten (pro kWh). Detlef Stolten, Professor für elektrochemische Verfahrenstechnik am Forschungszentrum Jülich | INTERVIEW
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