GELD-Magazin, September 2019
„Ich warne zur Vorsicht mit den Staatsanleihe- käufen, da sie die Grenzen zwischen Geld- und Finanz- politik aufweichen“ Jens Weidmann, Bundesbank-Chef, Mitglied im EZB-Rat womöglich zum Beginn der nächsten Finanzkrise führen. Zusätzliche Zinssenkungen in den negativen Bereich verstärken anderer- seits jedoch die Strafzahlungen für das Halten „risikofreier Anleihen“ und ma- chen diese aufgrund der höheren Bewer- tung paradoxerweise ebenfalls riskanter. Zugleich wird der Kreditnehmer dafür bezahlt, sich Kapital zu borgen, was zu gestörten Anreizen und einer Fehlalloka- tion von Ressourcen führt. Denn Banken sehen keinen Anreiz mehr, Risiken ein- zugehen. Warum sollten sie langfristige Kredite vergeben, wenn diese nur gering- fügig mehr oder sogar weniger abwerfen als kurzfristige Einlagen bei der Zentral- bank. Neben diesen Auswirkungen auf Investitionen leidet auch die Seite der Sparer. Nicht nur private, sondern be- sonders institutionelle Anleger, wie Pen- sionsfonds oder Versicherer, sind mo- mentan verzweifelt auf der Suche nach langfristigen Renditen, um ihre zukünf- tig fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen. KOLLATERALSCHADEN EUROPA Kurzzeitig sah es danach aus, als ob die Märkte vorerst einmal Luft holen würden. Die weltweit erste, mit einem negativen Kupon ausgegebene 30-jäh- rige deutsche Bundesanleihe stieß in der vorletzten Augustwoche auf nur mäßiges Interesse der Investoren. Gerade ein- mal ein Volumen von 824 Millionen der zwei Milliarden Euro schweren Neuemis- sion fand einen Käufer. Es schien, als ob der Markt die absurden Verhältnisse verstanden hätte. Doch der Moment der Räson währte nur kurz, die erwartete Si- gnalwirkung verpuffte wenige Tage spä- ter durch die Zuspitzung des amerika- nisch-chinesischen Handelsstreits und die Renditen begannen wieder zu fallen. Die Rechnung für diese fortschreiten- de Ausweitung der Zölle trägt auch Eu- ropa. Mit 28 Prozent Exportanteil ist die Eurozone besonders anfällig für jegliche Verwerfung im internationalen Handel – ein Schicksal, das fiskalpolitisch noch so unterschiedliche Länder wie Deutsch- land oder Italien teilen. Der deutsche Business Confidence Index befindet sich auf dem niedrigsten Stand seit sieben Jahren. Im zweiten Quartal verzeichnete Deutschland, das beinahe die Hälfte sei- ner Wirtschaftsleistung aus Exporten be- zieht, einen Exportrückgang von 1,3 Pro- zent. Gesamtwirtschaftlich schrumpfte die größte Volkswirtschaft Europas um 0,1 Prozent und läuft damit Gefahr, in eine Rezession abzurutschen. Dies wür- de sich über die Wertschöpfungskette DER LANGSAME TOD DER SPARER Die Aussicht auf weitere Negativzinsen lässt besonders im Westen Europas Unruhe auf- kommen. Schon heute schlagen die Strafzinsen den Banken im gesamten Euroraum mit 7,5 Milliarden Euro pro Jahr zu Buche. Besonders Deutschland steht dem Angriff auf die monetäre Integrität der privaten Sparer ausgesprochen kritisch gegenüber. Hohe Ersparnisse und ein verlässliches Bankensystem sind für viele deutsche Bürger Grund- pfeiler von Stabilität und Treiber wirtschaftlichen Wachstums. Im Schulterschluss fordern Wirtschaft und Politik daher drastischere Maßnahmen zur Rettung der deutschen Sparer. Der Geschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken, Andreas Krautscheid, appellierte kürzlich lautstark an die EZB, die Folgen der Niedrig- und Negativzinspolitik umfassend zu überprüfen. Bayerns Ministerpräsident und CSU-Vorsitzender Peter Söder ging gar einen Schritt weiter und forderte öffentlich Gesetze, die ein Weiterreichen von Strafzinsen an Bankkunden unterbinden. Auch in Österreich werden die kritischen Stimmen lauter. Erste-Chef Andreas Treichl bezeichnete die gegenwärtige Geldpolitik als „Steuer auf die westliche Bevölkerung und Gefahr für die Entwicklung der gesamten europäischen Wirtschaft“. In Österreich hät- ten die Sparer wegen der Zinssituation und ihrer Veranlagungsgewohnheiten 2018 weit über fünf Milliarden Euro verloren. Wegen fehlender Investmentalternativen würde „alles in Immobilien gehen“, wodurch Wohnraum für große Teile der Bevölkerung unleistbar wurde. Ein Ende der Niedrigzinsphase sieht Treichl jedoch nicht so bald. Laut dem Ban- ker werde die Entwicklung noch für die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre weitergehen. „Zur Amtseinfüh- rung der neuen EZB-Präsidentin sollte die Regie- rung klarstellen, dass Negativzinsen nicht der richtige Weg sind“ Markus Söder, CSU-Vorsitzender Geldpolitik in der Krise | BRENNPUNKT CREDITS: Deutsche Bundesbank,wikipedia
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