GELD-Magazin, Juli/August 2019
WISSENSCHAFTLICH. Das Thema Künstliche Intelligenz (KI) scheint sich zu einer zentralen Frage für Wirtschaft und Gesell- schaft im 21. Jahrhundert zu entwickeln. Es handelt sich dabei um einen „Aufreger“, denn vielerorts wird massenhafter Jobverlust, wenn nicht gar die Entmachtung des Homo sapiens prognostiziert. Hier tut es gut, wenn Sach- lichkeit auf wissenschaftlichem Niveau die Diskussion bestimmt, wie in dem vorliegenden Werk der Philosophin und Wirtschaftsjourna- listin Manuela Lenzen. Wohltuend ist etwa, dass die Autorin gleich ein ganzes Kapitel der Definition von KI widmet. Denn nicht jeder Schachcomputer, Taschenrechner oder, allge- meiner gesprochen, Algorithmus ist als klug zu bezeichnen. Lenzen verweist in diesem Zusam- menhang darauf, dass viele KI-Forscher lieber von Kognition anstatt von Intelligenz sprechen. Aber das Buch ist nicht nur auf theoretischem Gebiet stark, auch die möglichen praktischen Auswirkungen von KI werden anschaulich dargestellet. Das reicht vom Feld der Militär- technik über wissenschaftliche Forschung bis zur Arbeitswelt. Wobei die Autorin die oft scho- ckierenden Prognosen zu den Umwälzungen unserer Arbeitsplätze für unsicher hält. Zu viele Faktoren sind im Spiel (zum Beispiel das noch immer existierende Phänomen der Globali- sierung), um seriös vorhersagen zu können, dass KI ein furchtbarer Jobkiller sei. Angerissen werden auch Vorschläge einer Robotersteuer oder des im Zusammenhang mit KI oft ge- nannten bedingungslosen Grundeinkommens. Fazit: Nach der Lektüre ist man vielleicht nicht intelligenter, aber weiß doch um einiges mehr. POLITISCHER ZWERG. Das vor- liegende Buch wurde anlässlich der letz- ten Europa-Wahl aufgelegt, aber auch nach dem Urnengang zahlt sich die Lektüre aus. Gemeinsam mit den Wissenschaftern Jo- hannes Gadner und Bettina Poller hat sich der Industrielle und ehemalige Spitzenpoliti- ker Hannes Androsch den Kopf über unseren Kontinent zerbrochen. Woran hapert es, und was gilt es zu tun, damit die europäische Idee nicht zerbricht? Das Autoren-Trio lässt keinen Zweifel daran, dass vertiefte europäische Integration sowie entschlossenes gemein- sames Auftreten das Gebot der Stunde sei. Ansonsten würde auf ewig der Spruch gelten, dass Europa ökonomisch ein Riese, poli- tisch ein Zwerg und militärisch ein Wurm sei. „Mehr denn je braucht Europa den Rahmen einer politischen Union – mit gemeinsamer Sicherheits-, Außen- und Asylpolitik, einer koordinierten Finanz- und Wirtschaftspolitik, einer strategischen Bildungs-, Wissenschafts-, Forschungs- und Innovationspolitik und einem sozialen Europa mit einem Mindestmaß an balanciertem Ausgleich mittels einer Transfer- union“, ist hier zu lesen. Wohin die Stoßrich- tung des Buches geht, ist somit klar: Mehr Entscheidungsbefugnisse auf europäischer Ebene, was logischerweise mit einem Verlust der nationalstaatlichen Souveränität verbun- den wäre. Letztlich werden die „Vereinigten Staaten von Europa“ in den Raum gestellt. Das stößt allerdings auf Widerstand nationa- listisch denkender Politiker, aber auch weiter Teile der Bevölkerung. Die Zukunft Europas scheint somit alles andere als vorgezeichnet. KLEIN, ABER FEIN. Österreich und weite Teile Europas stöhnen diesen Sommer wieder einmal unter der „Affenhitze“; nicht nur die Sonne brennt herunter, sondern auch die Diskussion über den Klimawandel wird bei Temperaturen jenseits der 30 Grad kräftig angeheizt. Wer sich schnell zu diesem Thema informieren will, liegt mit „Der Klimawandel“ der beiden Klimaforscher Stefan Rahmstorf und Joachim Schellnhuber richtig. In dem kleinen, aber genauso feinen Ratgeber wird auf knapp 150 Seiten Wissenswertes rund um die Erderwärmung zusammengefasst. Kompakt, aber nicht simplifizierend, kann man zu diesem Werk das Fazit ziehen. Es werden Fragen beantwortet wie: Welche Faktoren sind überhaupt für das Klima verantwortlich, was sind die Ursachen der Erwärmung und mit welchen Folgen ist zu rechnen? Von entschei- dender Bedeutung ist aber vor allem das Kapitel über die Lösung des Klimaproblems. Als „historischer Schritt“ in die richtige (und absolut notwendige) Richtung wird dabei der Abschluss des Pariser Klimaabkommens bezeichnet. Ein Satz der Wissenschafter, der allerdings durchaus bedenklich stimmt, lautet: „Der Scheitelpunkt des globalen Ausstoßes darf nicht später als 2020 erreicht sein. Ansonsten werden Reduktionsmaßnahmen nötig, die sich eigentlich nur im Rahmen ei- ner (globalen!) Kriegswirtschaft realisieren lassen. Doch die Menschen lassen sich leicht zum Kampf gegeneinander verführen, aber nur schwer gewinnen für den gemeinsamen Kampf gegen den zivilisatorischen Untergang.“ Hoffen wir, dass die Vernunft letztlich siegen wird. EUROPA VOR DER ENTSCHEIDUNG Hannes Androsch u.a.Verlag: Brandstätter. 335 Seiten. ISBN: 978-3-7106-0301-3 KÜNSTLICHE INTELLIGENZ Manuela Lenzen.Verlag: C.H.Beck. 272 Seiten. ISBN: 978-3-406 71869-4 DER KLIMAWANDEL Rahmstorf/Schellnhuber.Verlag: C.H.Beck. 144 Seiten. ISBN: 978-3-406-72672-9 BUCHTIPPS | Neuerscheinungen & Pflichtlektüre 82 | GELD-MAGAZIN – JULI/AUGUST 2019 CREDITS: beigestellt
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