GELD-Magazin, Juli/August 2019
Bei der Allianz wird seit gut zehn Jahren Nachhaltigkeit groß geschrieben. Wie haben Sie das im Portfolio umgesetzt? Alexander Putz: Wir haben relativ früh da- mit angefangen, unseren Deckungsstock nachhaltig auszurichten. Das war aber nicht ganz einfach. Denn erstens wird das The- ma Nachhaltigkeit/Umweltschutz weltweit relativ gesehen – z.B. gelten in Frankreich Atomkraftwerke als nachhaltig, weil sie kein CO 2 produzieren –, zum anderen verwalten wir alleine in Europa 639 Milliarden Euro im Deckungsstock und hier vor allem in Anlei- hen – weltweit sogar zwei Billionen Euro. Im „grünen Investmentbereich“ gibt es üb- licherweise vier Level. Hier ist die übliche Auswahl: „Ein Haar in der Suppe und weg mit dem Unternehmen.“ Das kann bei zwei Billionen Euro Anlagevolumen nicht funk- tionieren, da bleiben vielleicht nur 300 Unternehmen übrig, in die Sie investieren können. Wir haben in unserem Deckungs- stock in Österreich aber 18.000 Positionen. Daher war es notwendig,ein viel feineresSco- ring-Modell zu entwickeln. Zusätzlich ging es uns aber auch darum, weltweit bei weniger nachhaltigen Unternehmen wirtschaftlichen Druck aufzubauen, damit sie etwas zum Positiven verändern – und sie nicht von vorn- herein auszuschließen. Begonnen haben wir mit der Entwicklung des Scoring-Modells im Jahr 2010 in Kooperation mit dem WWF Österreich und entwickelten es die folgenden fünf Jahre. Im Anleihenbereich muss man z.B. Länder anders bewerten als Unterneh- men, andere Kennzahlen berücksichtigen. Bei der Analyse von Unternehmen wenden wir z.B. 89 unterschiedliche Kennzahlen an. Bei Ländern zielt wiederum alles darauf ab, wie hoch die soziale Stabilität ist. Dabei wird ein Demokratie-Index oder die soziale Versorgung berücksichtigt. Nur so kann eine positive Konjunkturerwartung entstehen und eine wirtschaftliche Prosperität. Das heißt, 2014 hatte die Allianz das Scoring-Modell fertig entwickelt. Wie ging es dann weiter? Der Allianz-Konzern startete Ende 2014 mit der Umsetzung im Portfolio. Ziel ist es, den Nachhaltigkeitsgrad der Kapitalanlagen kontinuierlich in Richtung Nachhaltigkeit zu verbessern. Bei dem riesigen Anlagevolu- men von rund sechs Milliarden Euro kann das nicht von heute auf morgen passieren. Seit der Implementierung des ESG-Mo- dells konnten bereits 523 Millionen Euro vom nicht nachhaltigen Bereich in den überdurchschnittlich nachhaltigen Bereich verschoben werden. Zusätzlich haben wir uns seit 2015 freiwillig und dauerhaft aus Kohleabbau-Investments zurückgezogen und setzen nun vermehrt auf Erneuerbare Energien. Wieso gerade der WWF als Kooperations- partner? Wichtig war für uns und ist es, dass das Nachhaltigkeitsrating unabhängig, unbe- stechlich, international und nachvollziehbar ist. Der WWF dient hier als eine Art „Daten- wächter“. Aber wir haben das Scoring als offenes Modell konzipiert, indem die Analyse in ein Tochterunternehmen des WWF ausge- lagert wurde. Theoretisch kann jeder auf das Scoring-Modell zugreifen. Eine große öster- reichische Fondsgesellschaft nützt das z.B. schon und legt es auf ihre Palette von nach- haltigen Fonds um. Was war der Anreiz, auf Nachhaltigkeit als Geschäftsmodell umzusteigen? Wir sind stark bei Naturkatastrophen-Bonds engagiert. Wir versichern hier Risiken und gestalten z.T. Investmentprodukte darauf (NatCat-Bonds). Und da spielt das Thema Klimawandel eine bedeutende Rolle bei der Risikobeurteilung. Manche Risiken aus zu er- wartenden Veränderungen muss man jetzt bereits einpreisen – und zwar umfassend gedacht. Wenn weltweit die Temperaturen steigen, kommt es nicht nur zu vermehrten Sachschäden – z.B. sind in Florida aufgrund der potenziellen Überflutungsgefahr manche Häuser gar nicht mehr versicherbar –, son- dern man muss z.B. auch mit Auswirkungen auf das Gesundheitsrisiko mit Anstieg von Herzinfarkten usw. rechnen. Das fließt wieder in die Risikoanalyse im Krankenbereich ein. Das heißt, dass sich jedes Unterneh- men, das bei Versicherungsprämien oder Einschaltung — CREDIT: beigestellt In einer Vereinbarung mit dem WWF Österreich hat sich die Allianz Ende 2014 zu konkreten, messbaren Nachhaltigkeitszielen für das gesamte Portfolio verpflichtet und ihre Investmentstrategie neu ausgerichtet. Die Forderung nach der Erfüllung von ESG-Kriterien hat bereits so manches Unternehmen zum Umdenken gebracht. Alexander Putz, Vertriebschef bei der Allianz Investmentbank, sieht darin eine Win-Win-Situation. „Wir erzeugen Motivation zur nachhaltigen Veränderung“ 52 | GELD-MAGAZIN – JULI/AUGUST 2019 „ Durch wirtschaftliche Vorteile können Unterneh- men in eine Win-win-Situa- tion zur Nachhaltigkeit gebracht werden. “
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