GELD-Magazin, Juni 2019
Willkommenskultur (Stichwort Merkel: „Wir schaffen das“) keine Wahlen zu ge- winnen sind. Auch wenn die Erfolge der ehemaligen Großparteien bescheiden ausgefallen sind (siehe Grafik auf der linken Seite), konnte mit dieser Strate- gie den Rechtspopulisten zumindest ein wenig der Wind aus den Segeln genom- men werden. Die Populisten einfach zu kopieren, sieht es aber auch nicht nach einem wirklich langfristigen Konzept aus. Welche Methoden erscheinen sinn- voller? Das GELD-Magazin sprach dazu mit dem renommierten Politologen und Spezialisten für Populismus-Forschung Frank Decker, Professor an der Fried- rich-Wilhelms-Universität Bonn. Bei der sache bleiben „Die Bürger in Europa sind verunsi- chert, nicht zuletzt, weil die Gesellschaft ökonomisch und sozial auseinanderdrif- tet. Populisten haben diese Themen und natürlich die Frage der Migration aufge- griffen, was sie so erfolgreich macht. An- dere Parteien sollten diese Sachthemen aufarbeiten. So ist die EU ja tatsäch- lich gut darin, Marktbarrieren niederzu- reißen, die möglichen negativen Folgen, etwa im sozialen Bereich, werden aber den Nationalstaaten überlassen. Hier, aber auch bei der Migration und der ge- meinsamen Außen- und Sicherheitspoli- tik gilt es, europäische Lösungen zu fin- den“, so Decker. Dem steht aber oft das Einstimmigkeitsprinzip gegenüber, zur Erklärung: Der Großteil der Rechtsvor- schriften im Europäischen Rat entsteht aufgrund einer qualifizierten Mehrheit – 55 Prozent der EU-Staaten mit 65 Pro- zent der EU-Bevölkerung müssen dafür stimmen. Bei einigen besonders heik len Themen müssen aber alle Mitglieds- staaten zustimmen, was eine Blockade- politik einzelner Länder leichtes Spiel macht. Experten wie Decker fordern des- halb, das Prinzip der doppelten Mehrheit auf alle Bereiche zu übertragen, wie die Sicherheits- und Außenpolitik, aber auch Steuerfragen. So könnte man zum Bei- spiel eine Lösung für die gerechtere Be- steuerung von Internetgiganten finden, eine populäre, aber gleichzeitig sachlich sehr sinnvolle Maßnahme. uneinige rechtsparteien Bis das soweit ist, steht Brüssel noch viel Köpferauchen bevor. Wobei sich die Frage stellt, ob durch die Gewinne der Populisten Entscheidungen noch schwie- riger werden? Hier sei gesagt, dass die Rechtspopulisten zur Mehrheitsbildung im EU-Parlament derzeit nicht notwen- dig sind, es existiert eine klare pro-euro- päische Mehrheit. Auch fällt es den Po- pulisten schwer, wegen ihrer nationalen Ausrichtung auf europäischer Ebene Koalitionen zu bilden oder nur gemein- sam abzustimmen. Es bleibt also so viel Ruhe, weiter im Sinne Europas zu ar- beiten. Noch vor den nächsten Wahlen. juni 2019 – GELD-MAGAZIN | 9 Europapolitik | brennpunkt „ Populismus bedeutet, so zu tun, als ob man wüsste, was für die gesamte Gesellschaft am besten sei. “ www.politik-lexikon.at Laut EU-weiten Umfragen bildet Migration mit Abstand das brennendste Thema. was sind ihrer meinung nach die beiden wichtigsten probleme, denen die EU derzeit gegenübersteht? Quelle:Eurobarometer,Nov.2018 Arbeitslosigkeit Einfluss der EU in derWelt Einwanderung Energieversorgung Wirtschaftliche Lage Renten Klimawandel Kriminalität Steigende Preise / Inflation / Lebenshaltungskosten Umwelt Lage der öffentl.Finanzen der Mitgliedstaaten Terrorismus Steuern 18 = 0% 10% 20% 30% 40% 50% 20 9 19 2 16 5 11 = 13 1 9 1 9 1 5 1 4 = 4 = 9 = 40 2 Herbst 2018 Frühjahr 2018
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