GELD-Magazin, Juni 2019
F ear on missing out“ oder kurz „FOMO“ ist wohl eines der cha- rakteristischsten Phänomene in der Welt der Kryptowährungen, und die Angst, etwas zu verpassen, greift wieder einmal um sich. Für langjährige Markt- beobachter nicht ganz unerwartet und trotzdem aufs Neue überraschend zün- dete Bitcoin und mit ihm der gesamte Kryptomarkt nach seiner monatelangen Bodenfindung im 3000 Dollar-Bereich wieder den Turbo und erstrahlt derzeit in neuem Glanz. Mit Kursgewinnen von 165 Prozent seit Beginn des Jahres und 65 Prozent alleine im Monat Mai zählt Bit- coin seit Langem wieder einmal zu den großen Gewinnern der Finanzmärkte. Neben der Angst vor geopolitischen Kon- flikten, wie etwa im Iran oder Venezuela, und der Zuspitzung des Handelskonflikts zwischen den USA und China sind es be- sonders die lange erwarteten Entwick- lungen im institutionellen und massen- tauglichen Bereich, die die neueste Preis- rally befeuerten. Die Branche reift War der Run auf die digitale Wäh- rung im Boomjahr 2017 noch getrie- ben von privaten Kleinanlegern, die das große Geld rochen, so zogen sich diese nach dem Absturz und dem darauf fol- genden Bärenmarkt zurück und über- ließen das Feld ganz anderen Akteuren. Wie die Ende Mai veröffentlichten Zah- len der auf Blockchain und Kryptowäh- rungen spezialisierten Marktanalysefir- ma Diar zeigen, akkumulierten institu- tionell kontrollierte Wallet-Adressen mit 1000 bis 10.000 Bitcoin, zwischen Au- gust 2018 – als Bitcoin das letzte Mal bei über 8000 Dollar stand – und Mai 2019 rund 450.000 zusätzliche Bitcoin. Dieser Zuwachs entspricht etwa der Hälfte der im vergangenen Jahr neu geschaffenen Bitcoin und zeigt deutlich, dass jene, die bereits hoch in Bitcoin investiert waren, den Bärenmarkt nutzten, um nochmal mit vollen Händen zuzugreifen. Der Ansturm großer Anleger auf Ver- wahrungs-Dienstleistungen digitaler As- sets unterstreicht, dass sich das neuge- weckte Interesse aber nicht nur auf ein- gesessene Investoren beschränkt. Wie Coinbase-CEO Brian Armstrong Mitte Mai bekannt gab, verwaltet Coinbase Cu- stody ein Jahr nach seinem Start mitt- lerweile mehr als eine Milliarde Dollar in Kryptowährungen und monatlich kom- men rund 150 Millionen dazu. Dabei han- delt es sich laut Armstrong jedoch noch nicht um die großen institutionellen In- vestoren, wie Banken, Hedgefonds oder Versicherungen, sondern mittlere Ven- ture Capital- und sogenannte Token- Fonds. Der Markteintritt der „Wall Street- Institutionen“ dürfte laut Expertenmei- nungen noch eine Weile auf sich warten lassen – doch das Interesse wächst. Explodierende Nachfrage In einer aktuellen Studie von Fidelity Investments gaben mehr als 47 Prozent der befragten institutionellen Investoren an, dass digitale Assets künftig einen Platz in ihrem Portfolio finden könnten. Neben der innovativen Technologie (47 Prozent), dem hohen Wachstumspoten- zial (46 Prozent) und der niedrigen Kor- relation zu anderen Finanzprodukten (27 Prozent), die für eine Anlage sprechen, sehen mehr als drei Viertel der Befragten Verwahrungs- und Sicherheitsrisiken immer noch als den größten Hemmfaktor für Investitionen an. Diese technologische Hürde dürfte auch mit ein Grund für die in den ver- gangenen Monaten regelrecht explodie- rende Nachfrage nach indirekten Invest- ments sein. Neben den immer höheren Handelsvolumina von Bitcoin-Futures – am 13. Mai verzeichnete die Chicago Mercantile Exchange ein Rekordhoch von 33.667 Futures-Verträgen mit einem Äquivalent von 168.385 Bitcoin oder um- gerechnet 1,35 Milliarden Dollar – spie- gelte sich diese Entwicklung zuletzt im Kurs des Grayscale Bitcoin Trust (GBTC), einem Anlagefonds, der Bitcoin im Wert von mehr als 1,95 Milliarden Dollar hält, wider. Die Anteile des Trusts, die nur von akkreditierten Investoren mit einem Min- destinvestment von 50.000 Dollar erwor- ben werden können, handelten Ende Mai mit einem 37 Prozent-Aufschlag, basie- rend auf dem Wert der gehaltenen As- sets, und entsprachen damit einem Preis von über 11.600 Dollar pro Bitcoin. Der zur überwiegenden Mehrheit von institu- tionellen Anlegern genutzte Investment- trust weitete seinen Bitcoin-Bestand im April um 11.236 BTC und damit knapp 21 Prozent der im April geschürften Bit- coin aus. Alternative Investments | Bitcoin 74 | GELD-MAGAZIN – Juni 2019 „Sell in May and go away“ – was für die Börse gilt, trifft auf die neue digitale Assetklasse der Kryptowäh- rungen offensichtlich nicht zu. Der Kryptoprimus Bitcoin verzeichnete vergangenen Monat einen Kurssprung auf über 9000 Dollar und damit den größten Preisanstieg seit Beginn des Bärenmarktes im Frühjahr 2018. Moritz Schuh Wiederauferstehung „ Die ganz großen Adressen der Wall Street sind noch gar nicht investiert. “ Brian Armstrong, CEO von Coinbase
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