GELD-Magazin, Mai 2019
ein Trend zu Privatisierungen staatlicher Betriebe sowie die wachsende Abhängig- keit vom privaten Sektor in den meisten Industriezweigen“, sagt Saikaly. Ägypten dagegen ist ein spezieller Fall. „Das Land hat gut mit dem Internationalen Wäh- rungsfonds kooperiert und profitiert von besseren Fundamentaldaten, sinkender Inflation, steigende Fremdwährungsre- serven, einer Erholung des BIP und einer Verbesserung der Leistungsbilanz. Nach der Revolution des Jahres 2011 hat das 100 Millionen Einwohner zählende Land einiges an Aufholpotenzial“, glaubt Rémy Marcel, Fondsmanager des Amundi MENA Fonds (ISIN LU0568613946). CHANCEN IN AFRIKA Malek Bou-Diab, Manager des BB Fund African Opportunities, hat das Hauptproblem des schwarzen Kontinents identifiziert. „Das Wachstum ist vielfach noch zu gering, um die vielen jungen Ar- beitslosen in die Arbeitsmärkte zu in- tegrieren. Einige Staaten wie Marokko, Ägypten, Kenia und Ruanda haben inte- ressante Reformen in die Wege geleitet, aber es ist noch zu früh, um selbst die- sen Ländern eine nachhaltige politische Stabilität zu prophezeien. Als eine Vor- sichtsmaßnahme reduzieren wir Län- derpositionen im Vorfeld wichtiger poli- tischer Wahlen. Immerhin kam es 2015 in Nigeria zu einem relativ friedlichen Machtwechsel hin zur bisherigen Oppo- sition.“ Die meisten Afrika-Fondsmana- ger legen einen Schwerpunkt auf Sub- Sahara-Afrika, weil in dieser Region das Wachstum höher als im übrigen afrika- nischen Kontinent und das wirtschaft- liche Aufholpotenzial am größten ist. „Wir haben diese Region aber nicht über- gewichtet, da zuerst große wirtschaft- liche und strukturelle Reformen auf den Weg gebracht werden müssen, um dieses Potenzial auch wirklich auszuschöpfen. Das reale Wachstum des Bruttoinlands- produkts (BIP) liegt etwa in Nigeria un- ter dem Bevölkerungswachstum – das Pro-Kopf-Einkommen sinkt. Kenia hat uns mit einem Cap (Höchstgrenze) für die Zinsen enttäuscht, denn so ging die Kreditvergabe vor allem an kleinere und mittlere Betriebe deutlich zurück. Besser machen es unserer Ansicht nach Län- der wie Ägypten und Marokko“, erklärt Bou-Diab. Ägypten macht Fortschritte bei der Normalisierung seines Zinsni- veaus nach der massiven Abwertung Ende 2016, während die scharfe Redu- zierung der Benzinpreissubventionen zu einem Inflationssprung geführt hat. Dennoch sinken die Zinsen – das bringt Rückenwind für die ägyptische Wirt- schaft und auch die Börse und sollte ei- nen neuen Investitionszyklus auslösen, wodurch das BIP-Wachstum auf über fünf Prozent klettern könnte. In Marokko verstärkt die Regierung ihre Maßnahmen gegen die Schwarzmarktwirtschaft. Nicht registrierte Händler bekommen nun eine Steuernummer. „Dadurch steigt der Wettbewerbsvorteil jener Unternehmen, die schon bisher Steuern zahlten und die wir in unserem Portfolio halten.“ Wo sehen Sie Investmentchancen? RÉMY MARCEL: Wir sind den UAE, Ägypten, Saudi- Arabien und Kuwait gegenüber positiv eingestellt, das zeigen unsere Top down-Analysen. Das makroöko- nomische Umfeld in diesen Ländern verbessert sich stetig, die Regierungen haben begonnen, strukturelle Reformen umzusetzen, wie z.B. die Erdölabhängigkeit zu reduzieren, die Staatshaushalte durch neue Steuern wie die Mehrwertsteuer und Einsparungen zu konsolidie- ren und ihre Leistungsbilanzen in Ordnung zu bringen. So hat etwa Kuwait einen Budgetüberschuss und eine positive Leis- tungsbilanz. Gegenüber Ländern wie Katar, Tunesien, Marokko, dem Libanon, Jordanien und Oman sind wir dagegen vorsichtig eingestellt. Die Bewertungen und Fundamentaldaten sind nicht attraktiv und das geopolitische Umfeld zu risikoreich. Und auf Unternehmensebene? Aus einer Bottom up-Sichtweise zeigen sich Aktien von Unternehmen in Saudi-Arabien und Kuwait in einer günstigen Situation, denn es wer- den nach der Aufnahme in den MSCI EM Index starke Kapitalzuflüsse erwartet. Was die UAE anbelangt, so sind die Be- wertungen nach mehreren Quartalen mit einer Underperformance gegenüber dem Index attraktiv ge- worden, der Immobilienmarkt ist wieder stabil und die Konsolidierung des Bankensektors macht gute Fort- schritte. Auch die Dividenden, die meist in Währungen ausgeschüttet werden, die an den US-Dollar gekoppelt sind, sind recht lukrativ. Wie sieht Ihr Ausblick aus? Das Besondere an der Region MENA ist die Kombination geopoli- tischer, Währungs-, religiöser und Risiken, den Ölpreis betreffend. Die attraktivsten Opportunitäten haben wir in Ägypten, Saudi-Arabien, in den UAE sowie Kuwait identifiziert. Doch auch diese Staaten sind mit großen Herausforderungen konfrontiert. Die demografisch gesehen junge Bevölkerung findet vielfach keine geeigneten Jobs. Die Schaf- fung neuer Arbeitsplätze ist für das Schicksal dieser Länder definitiv mitentscheidend und das bei vielen arabischen jungen Männern, die sich einen westlichen Lebensstil leisten wollen.Auf längere Sicht wäre eine Aussöhnung zwischen Sunniten und Schiiten (Iran) sehr wichtig. Rémy Marcel, Fondsmanager des Amundi Funds Equity MENA | INTERVIEW Frontier Markets | MÄRKTE & FONDS MAI 2019 – GELD-MAGAZIN | 33
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