GELD-Magazin, Mai 2019

auf nationaler Ebene, die Forschung ist hier sogar zu 90 Prozent national. Man kann sich vorstellen, wieviel da parallel läuft. So wird Steuergeld, von dem die nationalen Verteidigungsbudgets ja ge- speist werden, ineffizient eingesetzt. Ein- mal ganz abgesehen von der Schwierig- keit der Kompatibilität unterschiedlicher Waffensysteme“, erklärt Müller. Wird nun der prognostizierte Erfolg rechtspopulistischer und antieuropä- ischer Bewegungen die Bemühungen um eine Sicherheits- und Verteidigungspo- litik vielleicht zunichte machen? Müller glaubt das nicht: „Es wird durch einen möglichen Wahlerfolg wohl keine groß- en Änderungen bei der Sicherheits- und Verteidigungspolitik geben. Nicht alle Rechtspopulisten sind systematische Anti-EU-Parteien. Auch ist Sicherheit nicht das Thema, demgegenüber solche Parteien große Aversionen hegen. Zum Beispiel im Bereich des Grenzschutzes könnten sie sich wohl mehr Europa vor- stellen.“ Dass Europa aber mit „einer Zunge“ spricht, davon sind wir noch im- mer weit entfernt – siehe zum Beispiel Außen- oder Sozialpolitik. Dem steht aber eine gewaltige Hürde im Wege: Die Angst der Politiker vor den eigenen Wäh- lern. Den mündigen Bürgern sollte man klipp und klar sagen, dass die einzelnen Mitgliedsstaaten Souveränität aufgeben müssten, um auf der internationalen Bühne vereint und somit effizient han- deln zu können. Das passiert aber mit dem Schielen auf wiedererstarkenden Nationalismus und die eigenen Umfrage- werte nicht. Der Erfolg dieser „Strategie“ erscheint zweifelhaft, aber am 26. Mai werden wir mehr wissen. Welche sinn- vollen Wege europafreundliche Parteien hingegen fahren können, um zu reüssie- ren, erklärt der bekannte Politologe Peter Filzmaier im Interview unten. BRENNPUNKT | EU-Wahlen 10 | GELD-MAGAZIN – MAI 2019 CREDIT: beigestellt,Archiv Inwiefern hat die endlose Brexit-Debatte EU-Kriti- kern vielleicht den Wind aus den Segeln genommen; oder vertieft sie die „EU-Müdigkeit“? Der Brexit ist in erster Linie ein Debakel für die britische Regierung, denn die EU hätte den ausverhandel- ten Vertrag ja eingehalten. Für die Wahl selbst sehe ich außerhalb Großbritanniens wenig Auswirkungen: Wer EU-Befürworter ist, bleibt das mit dem Argument, dass schließlich gerade das Wesen der EU chaotische Zustände und Ungewissheiten hinsichtlich Handel, Geldverkehr, Arbeitsmarkt und so weiter verhindern will. Wer EU-Gegner ist, wird genauso kaum seine Meinung ändern, weil aus seiner Sicht sowieso nur die Nationalstaaten alles bestimmen dürften und nach dieser Logik die Briten im Sinne eines „hard brexit“ gar nicht hätten verhandeln sollen. Das Hauptproblem ist längerfristig: Wie immer die Brexit-Sache ausgeht, es war klar, dass man den Ablauf der Diskussion als Präzedenzfall sieht. Darüber kann nun nur jemand froh sein, der sich politisch über jede Verunsicherung freut und im Grunde eine Destabilisierung der Politik zum Ziel hat. Welche politischen Strategien gibt es, um der EU-Müdigkeit entgegenzutreten und zum Urnengang zu motivieren? Ich bin sehr skeptisch, wenn sich Politiker diese Frage in fünf Wochen Intensivwahlkampf stellen, anstatt in den fünf Jahren seit der letzten Wahl schon alles getan zu haben. In der Theorie ist die Antwort je- denfalls sehr einfach: „Die EU geht mich nichts an“, darf nur sagen, wer beispielsweise nicht atmet und trinkt oder weder arbeitet noch reist. Denn Luftqualitäts- und Trinkwasserrichtlinie ge- ben da genauso den Rahmen vor wie die Freiheit des Arbeitsmarktes und das Schengen-Abkommen. Welche Meinung auch immer man also dazu hat, es ist ziemlich dumm, etwas nicht mitbestimmen zu wollen, das jeden von uns betrifft. Die EU hat freilich auch ihrerseits in der Kommunikation oft versagt, wenn nicht einmal über- all verbreitet werden konnte, dass dem Europäischen Parlament die Abschaffung des Roaming zu verdanken ist. Hier erspart sich fast jeder eine Menge Telefon- und Internetgebühren, nur wissen das viele nicht. Speziell für Österreich: Welche Strategien könnte man EU-freund- lichen Parteien ans Herz legen? Ich würde anhand von konkreten Beispielen die Erzählung empfehlen, wie Europa ohne die EU aussehen würde. Da steigt man pro-euro- päisch nicht nur beim Roaming oft besser aus. Die Gegner der EU behaupten ja auch einfach, was mit der EU alles so schrecklich wäre. Bei Schreckenszenarien statt sachlicher Detailkritik kann man in den meisten Fällen, etwa in der Wirtschaft, leicht kontern oder das mit Po- sitiverzählungen im Vorhinein ad absurdum führen. Ich möchte nicht wissen, wie die weltweite Finanzkrise ausgegangen wäre, wenn die EU nicht dagegen gehalten hätte. Womöglich mit einer Geldentwertung oder dem Verlust der Spareinlagen für uns alle. Und in der Flücht- lings- und Zuwanderungspolitik erspart übrigens ausgerechnet ein Abkommen der EU mit der Türkei dem Binnenland Österreich viele Diskussionen. PROF. PETER FILZMAIER, DONAU-UNIVERSITÄT KREMS | INTERVIEW „ Die gemeinsame Sicherheits- und Verteidi- gungspolitik der EU hat in letzter Zeit an Dynamik gewonnen. “ Patrick Müller, Diplomatische Akademie

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