GELD-Magazin, April 2019

ROTE GIGANTEN. Es ist müßig darüber zu diskutieren wie sozialistisch oder kommuni- stisch die Gesellschaft der Volksrepublik China heute noch geprägt ist, klar scheint jedenfalls: Die Großkonzerne aus dem Reich der Mitte spielen beinhart in der obersten Liga des Ka- pitalismus mit. Und das sehr erfolgreich. Ein Umstand, der nicht jedermann im Westen wirk- lich bewusst ist, deshalb ist es erfreulich, dass der Journalist und Bestseller-Autor Wolfgang Hirn in „Chinas Bosse“ Tatsachen auf den Tisch legt und ein „who is who“ der chinesischen Wirtschaftselite zeichnet. Da hätten wir zum Beispiel Jack Ma, den Gründer und Master- mind der Online-Plattform Alibaba. Auch als das chinesische Amazon bezeichnet, streckt das Unternehmen nach und nach seine Fühler nach Europa aus (das GELD-Magazin berich- tete darüber in seiner vergangenen Ausgabe). Der größte innerchinesische Rivale von Jack Ma heißt übrigens auch Ma, mit Vornamen Pony. Er gründete 1998 das Online-Gaming- Unternehmen Tencent, heute bereits weltweit der größte Spieleanbieter. Aber der lange Vormarsch Chinas ist keineswegs auf die weite Welt des World Wide Web beschränkt, auch in anderen Industriezweigen wird kräftig aufs Gas gestiegen. Huawei ist ja mittlerweile fast schon ein stehender Begriff, aber auch jüngere Mar- ken aus der elektronischen Konsumgüterin- dustrie wie Oppo, Vivo oder Xiaomi investieren kräftig in Marketing und Sponsoring. Noch nie gehört? Wie schnell sich das ändern könnte, ist in „Chinas Bosse“ nachzulesen, wobei reichhaltige Anekdoten die ohnedies interes- sante Materie noch spannender gestalten. SPIELVERDERBER? Der erfolgreiche Autor Markus Krall (zum Beispiel „Der Draghi- Crash“) hat sich mitunter den Ruf als EZB- Kritiker, Spielverderber, Pessimist oder gar Crash-Prophet eingehandelt. Er selbst sieht sich natürlich nicht so und bezeichnet sich im Vorwort seines neuesten Buches als „extrem optimistischen Menschen“. Allerdings warnt er in durchaus drastischer Weise vor den Ge- fahren, die er auf uns alle zukommen sieht. So sei die gegenwärtige freiheitliche Ordnung be- droht, die Gefahren ließen sich in drei Gruppen zusammenfassen. Erstens: Die interne Erosion der Gesellschaft durch die Erosion innerer Werte. Hier prangert der Autor den Glauben an „eine sozialistische Planwirtschaft und die Hybris der Anmaßung des ökonomischen Wissens, das man in Wahrheit gar nicht hat“ an. Nummer zwei betrifft vor allem die Grenze unseres politischen Systems. Krall kritisiert in diesem Zusammenhang „epochales Elitenver- sagen“, ökonomisches Missmanagement und bürokratische Omnipotenz. Drittes Problem- feld: Der Übergang, der durch die digitale Revolution hervorgerufen wird. „Politisch verkrustete soziale und wirtschaftliche und in gewissem Umfang auch geopolitische Systeme sind umfassend von dieser Umweltverände- rung betroffen“, schreibt der Autor. Die Konse- quenzen lesen sich alles andere als erfreulich, so rechnet Krall etwa mit einem Durchschla- gen der „monetären Krise“ 2020. Was gilt es zu tun? Der Autor ruft zur Verteidigung der Frei- heit, zum „zivilen Widerstand gegen die sozia- listische Unterminierung der Gesellschaft“ auf. Nun, man muss nicht alle Thesen Kralls teilen. VON A BIS Z. Es ist kein leichtes Unter- fangen, das sich der Vermögensverwaltungs- experte sowie studierte Philosoph und Mathe- matiker Georg von Wallwitz in diesem Buch vorgenommen hat: Die gesamte Ökonomie auf kleinstem Raum darzustellen – und das mit einem gewissen Augenzwinkern und möglichst „guter Laune“, wie es im Bucheinband heißt. Man kann mit Fug und Recht behaupten: Diese Übung ist in „Mr. Smith und das Para- dies. Die Erfindung des Wohlstands“ durchaus gelungen. Dabei wird, wie es der Titel vielleicht nahelegen könnte, nicht nur die Philosophie Adam Smiths beleuchtet. Tatsächlich finden wir hier einen fundierten Abriss ökonomisch relevanter Theorien und deren praktischer Aus- wirkungen. Allerdings handelt es sich dabei um keine trockene, lexikale Wissensvermittlung, das versprochene Augenzwinkern blitzt an vie- len Stellen auf. So wenn Wallwitz etwa schreibt, dass die Geschichte der modernen Ökonomie mit einer Rauferei begonnen hat. Gemeint ist damit der nicht nur verbale Konflikt zwischen Voltaire und dem Adelssprössling Chevalier de Rohan bzw. dessen Schergen. Durchaus amüsant geschildert. Aber in diesem Buch wird nicht nur in der Schatzkiste der Historie ge- kramt, auch aktuellere Ereignisse werden auf- gegriffen. So findet sich etwa eine Analyse des chinesischen Wachstumsmodells, wobei der Einfluss von wichtigen wirtschaftspolitischen Denkern wie Ricardo oder Marx gleich mitgelie- fert wird. Fazit: Auf knapp 200 Seiten des vor- liegenden Werks muss sich der Autor natürlich an manchen Stellen etwas kürzer halte, das tut dem Lesevergnügen aber keinen Abbruch. WENN SCHWARZE SCHWÄNE JUNGE KRIEGEN Markus Krall.Verlag: FBV. 335 Seiten. ISBN: 978-3-95972-151-6 CHINAS BOSSE Wolfgang Hirn.Verlag: Campus. 283 Seiten. ISBN: 978-3-593-50874-0 MR. SMITH UND DAS PARADIES Georg vonWallwitz.Verlag: Berenberg. 198 Seiten. ISBN: 978-3-937834-63-4 BUCHTIPPS | Neuerscheinungen & Pflichtlektüre 82 | GELD-MAGAZIN – APRIL 2019 CREDITS: beigestellt

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