GELD-Magazin, April 2019

Vielen Anlegern steckt 2018 noch in den Knochen, Aktien aber auch Anleihen ha- ben auf breiter Front enttäuscht. Werden wir heuer ein besseres Jahr sehen? Klaus Kaldemorgen: Nach einem schlech- ten Jahr muss nicht unbedingt ein gutes folgen, wobei Aktien 2018 tatsächlich schon sehr tief gefallen sind. 2019 könnte nun nicht unbedingt überragend aber durch- aus solide werden. Das dürfte auch nicht so schwer fallen, nachdem wir alleine schon in den ersten Monaten eine starke Erholung gesehen haben. Hat Sie der doch sehr gute Start ins neue Jahr überrascht? Das war nicht wirklich überraschend. Schon eher der schlechte Abschluss Ende 2018, wir haben einen der schwächsten De- zembermonate überhaupt gesehen. Die US-Notenbank Fed hat aber eine mode- ratere Gangart eingeschlagen, somit wird heuer mit keinen Zinserhöhungen mehr ge- rechnet. Das hat doch zu einer gewissen Begeisterung an den Märkten geführt, was letztlich auch eine Erklärung für den guten Start der Börsen ins neue Jahr liefert. Bleiben wir noch in den USA, die Zinspo- litik der Fed kommt nicht von ungefähr, sondern ist eine Reaktion auf schwä- chere Konjunkturzahlen. Manche warnen sogar vor einer Rezession in den Vereini- gten Staaten ... Ich glaube nicht daran, dass wir heuer oder auch nächstes Jahr eine Rezession in den USA sehen werden. Diese Einschätzung wird auch von den Märkten geteilt. Es be- steht Vertrauen in die Zentralbanken, dass sie im Fall der Fälle durch eine lockere Geld- politik gegen Rezessionsgefahren helfen werden. Somit meine ich: Wir werden eine Wirtschaftsabschwächung sehen, aber kei- ne Rezession. Natürlich kann es auch immer wieder Überraschungen geben. Etwa wenn die Zinsen doch anziehen sollten, oder durch Belastungen eines ungelösten Handelskon- flikts. Was sich voraussichtlich ändern wird, ist die Entwicklung der Gewinne; die sind im vergangenen Jahr deutlich gestiegen, das wird heuer in dieser Ausprägung nicht mehr kommen und die Gewinnentwicklung dürfte moderater ausfallen. Werfen wir einen Blick auf die regionalen Aktienmärkte: Einige Kritiker sehen die US-Börsen ausgereizt und raten zu mehr europäischen Titeln. Was ist ihre Mei- nung? InWirklichkeit war es der Fehler vielerAnleger im vergangen Jahr zu sehr auf europäische Aktien zu setzen. Auch heute erscheint es mir besser für europäische Investoren, stär- ker in den Vereinigten Staaten engagiert zu sein. Dafür gibt es mehrere Gründe. So ist Diversifikation, auch Währungsdiversifika- tion empfehlenswert. Außerdem zeigt sich Warum in unseren Breiten manchmal der Mut zum Risiko fehlt, wie es mit Konjunktur und Aktienmärkten wei- tergeht und wieso Gold-Investments keine schlechte Idee sind, erklärt Klaus Kaldemorgen, einer der bekann- testen Fondsmanager Europas. Im DWS Concept Kaldemorgen verwaltet er über sieben Milliarden Euro. Harald Kolerus Europa zwischen Trump und dem „1000 Pfund-Gorilla“ Klaus Kaldemorgen, DWS | interview april 2019 – GELD-MAGAZIN | 31 der US-Aktienmarkt weniger volatil wenn auch teurer als der europäische. Man muss auch festhalten, dass die USA – Trump hin oder her – weniger politische Probleme ha- ben als Europa. Wenn man das Beispiel des internationalen Handelskonflikts heranzieht, so hat Europa nicht die Machtposition, wie sie die USA und China innehaben. In Euro- pa können wir nicht so schnell Einigungen erzielen und man muss festellen: Wir ziehen nicht an einem Strang. Das macht Sorgen. Etwa wenn Europa von China und den Ver- einigten Staaten im Handelskonflikt in die Zange genommen werden sollte. Es könnte in Europa auch zu „Unfällen“ kommen, etwa was Nachahmungseffekte für einen EU-Aus- tritt betrifft. Sehen Sie hier nach dem doch abschre- ckenden Brexit-Beispiel etwa Kandidaten für Exit-Pläne? Aus Italien, Polen oder Ungarn hört man nicht gerade europafreundliche Töne. Ich glaube aber nicht, dass es hier wirklich zu EU-Austritten kommt, weil diese Länder von der Union profitieren und ein Austritt keinen Sinn machen würde. Aber es ist schon schlimm genug, wenn man sich auf europäischer Ebene nicht auf wichtige Entscheidungen einigen kann. Zu vielen The- men gibt es verschiedene Meinungen, etwa zu Russland, das schwächt die EU. Es sieht also nicht so aus, als wäre Euro- pa derzeit Ihr bevorzugter Favorit? Europa ist nicht mein Top-Favorit, aber ich bitte mich nicht falsch zu verstehen: Auch hier gibt es hervorragende Unternehmen, „ Ich gehe weder 2019 noch 2020 von einer Re­ zession in den USA aus, aber das Wachstums­ tempo wird nachlassen. “ Klaus Kaldemorgen

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