GELD-Magazin, April 2019

müssen. Zudem warnte Li Kommunen, sich außerhalb der Bilanzen Kredite zu besorgen. Die Regierung nehme ver- steckte Schulden sehr ernst und verbiete Finanzierungen lokaler Regierungen, die ihre Zahlungsfähigkeit außer Acht lie- ßen. 2018 haben Kommunen Li zufolge 18 Billionen RMB an Schulden gemacht (2,37 Billionen Euro). Dagegen schätzen die Rating-Agenturen S&P und China Chengxin die versteckten Schulden 2018 auf 40 Billionen RMB – mehr als doppelt soviel. Ein Ergebnis des Volkskongresses war Chinas Versprechen, seine Märkte weiter zu öffnen. Ein verordneter Tech- nologietransfer wird aber untersagt. Aktuelle Trends Derzeit gibt es sechs wichtige Trends in China: Erstens lässt die Immobilien- blase kontrolliert Dampf ab; zweitens wird der Fokus wegen der hohen Ver- schuldung auf private Investments und die Direktfinanzierung über Börsengän- ge bzw. Kapitalerhöhungen gelegt; drit- tens wird die Kreditvergabe an den pri- vaten Sektor kleiner und mittlerer Be- triebe gefördert; viertens werden insti- tutionelle Investoren aus dem Ausland hofiert; fünftens hat der Volkskongress ein nachhaltiges Wachstumsmodell be- schlossen mit dem Fokus auf Technolo- gie und schließlich sechstens besteht im A-Aktien-Bereich noch Aufholbedarf, da sie im MSCI EM Index stärker gewich- tet werden und viele Spitzenunterneh- men wie Tencent oder Alibaba noch nicht im A-Aktien-Index in Shanghai notiert sind. Das lässt auf eine bessere Perfor- mance hoffen (s. auch Artikel auf Seite 48). Weiters: Bei heimischen Konsum- gütern kann man schon seit Jahren ei- nen Substitutionsprozess beobachten – ausländische Marken werden von inlän- dischen langsam, aber sicher verdrängt. Denn die Chinesen verlangen nach hoch- wertigen, aber gleichzeitig günstigen Al- ternativen zu ausländischen Luxusgü- tern. Stark ist China auch bei Batterien für E-Automobile und in der Industrie- automation. Ein weiteres Beispiel für die Produktsubstitution ist die Automo- bilindustrie. Wegen Qualitätsverbesse- rungen liegt der aktuelle Marktanteil chi- nesischer Hersteller bei 45 Prozent – vor 15 Jahren waren es noch 21 Prozent. Bei „New Energy Vehicles“ (NEV) waren 2017 von zehn verkauften NEV neun aus lo- kaler Produktion. Und der Aufholprozess im Technologiebereich geht ungebrochen weiter. 2017 hatte China acht Millio- nen College-Absolventen, mehr als dop- pelt so viele wie die USA. 2017 lagen die Brennpunkt | Weltmacht China 10 | GELD-MAGAZIN – April 2019 credit: beigestellt Was spricht für ein Engagement in chinesischen Aktien? Trotz des sich abschwächenden Wachstums bleibt der Investment Case für China auch 2019 und darüber hinaus intakt. Denn das Wachstum wird überdurch- schnittlich hoch bleiben. Die Konsumstory im Verbund mit dem Upgrading-Zyklus chinesischer Konsumenten kann noch viele Jahre laufen – denn sie reflektiert eine geänderte Einstellung vieler Chinesen, was ihre Lebens- qualität anbelangt. Zudem sehen wir das Aufkommen immer zahlreicherer „echten“ chinesischen Produkte, die die ausländischen Güter nach und nach ersetzen. Für Investoren, die die Makro-Wachstumsstory für Investments nutzen wollen, bieten die an den Festlandbörsen in Shanghai und Shenzhen gehandelten A-Aktien eine weitaus größere Anzahl an Investmentopportunitäten als an den Offshore-Börsen (wie z.B. in Hongkong). Welches sind die stärksten Wachstumstreiber? Der stärksteAntriebsmotor ist noch immer die Konsum-Story, da immer mehr Chinesen eine wachsende Auswahl an hoch qualitativen Pro- dukten aus eigener Produktion im Land bevorzugen und ausländische Konkurrenzprodukte ersetzt werden. Zwar wird das Konsumwachstum langsam zurückgehen, aber durch den Upgrade-Zyklus weiter unter- stützt bleiben.Viele Chinesen kehren dem traditionellen Shopping den Rücken und geben ihr Geld zunehmend für Entertain- ment, Reisen, E-Commerce und Lifestyle-Produkte, die ihnen ein besseres Leben vermitteln, aus. Allein 2017 gab es fünf Milliarden Reisen chinesischer Touristen in ihrem eigenen Land – dreimal so viele wie noch vor zehn Jahren. Und viele fliegen auch ins Ausland. Gibt es weitere Wachstumssektoren? Ein noch junger, aber rasant wachsender Bereich ist die Gesundheitsbranche. China gibt nur einen Bruchteil für sein Gesundheitswesen aus, verglichen mit Europa oder gar den USA. Pro Kopf werden nur 426 Dollar pro Jahr aufgewendet – weniger als fünf Prozent der US-Ausgaben. Da- bei altert die chinesische Bevölkerung rapide, ein demografischer Wachstumsfaktor für den gesamten Sektor. 2050 wird China 490 Mil- lionen Pensionisten haben, 35 Prozent der Gesamtbevölkerung. Das zwingt die Gesundheitsdienstleister zu raschen Innovationen. Die chi- nesische Gesundheitsbehörde hat den Zulassungsprozess für neue Medikamente deutlich beschleunigt. 2017 wurden 35 Medikamente zugelassen – 2016 waren es nur fünf landesweit zugelassene aus- ländische Präparate. Aber lokale Pharmafirmen beschleunigen ihre Innovationen rasch: Die Zulassungsansuchen lokaler Anbieter für in- novative Präparate in klinischen Studien ist von 21 im Jahr 2011 auf 88 im Jahr 2016 gestiegen. Shannon Zheng, Asien-Spezialistin bei Allianz GI | interview

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