GELD-Magazin, März 2019
Quote aber bei 76 und in Deutschland bei 70 Prozent. Warum soll uns das nicht auch gelingen?“ Kopf plä- diert deshalb für al- tersgerechte Arbeits- plätze, Arbeitsorgani- sation und Bildung. Es ist also der Com- mon Sense unter Experten, dass ein spä- teres Rentenantrittsalter wünschenswert wäre. Aber stimmt es nicht, dass dann die Älteren den Jüngeren die Jobs wegneh- men? Kopf meint dazu: „Nein, denn der Arbeitsmarkt ist keine Closed Box, also kein abgeschlossenes System, wie man das füher ge- glaubt hat. Ein Beispiel: Sie ge- hen zum Tischler Ihres Vertrau- ens und wollen einen Kleider- schrank bestellen. Wenn Ihnen eine Lieferzeit von neun Wochen genannt wird, werden Sie viel- leicht zu Ikea gehen. Dann er- folgt die Wertschöpfung im Aus- land. Wenn aber beim kleinen Tischlerbetrieb der Meister nicht in Pension gegangen ist und zu Ihnen nach Hause kommt, könnten Sie so zufrieden sein, dass Sie vielleicht noch ein Ge- würzregal oder Ähnliches extra bestellen. Prinzipiell gilt: Zusätz- liche Beschäftigung schafft wie- derum mehr Arbeit und mehr Kaufkraft.“ Aber nicht nur bei den Älteren, sondern natürlich auch bei den Jüngeren müs- se man ansetzen. Hier könnte durch gezielte Förderung schon in Kindergarten und Volksschule die Zahl der Nur-Pflichtschul- abschlüsse verringert werden. Und natürlich sei es notwendig, noch deutlich mehr Frauen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, beim Ausbau der Kin- derbetreuungsplätze wurde hier schon ein richtiger Weg eingeschlagen. Greift dieses Bündel an Maßnahmen, können die Baby-Boomer noch beruhigter ihren Ruhestand antreten. liche Pensionseintrittsalter (Männer 65, Frauen 60 Jahre) anzunähern. Beglei- tet sollte das von altersgerechten bzw. gesundheitsfreundlichen Arbeitsplät- zen und prinzipiell Investitionen in mehr Krankheitsprävention werden. Johannes Kopf, Vorstand des AMS, meint ihm Ge- spräch mit dem GELD-Magazin wiede- rum, dass Österreich im EU-Vergleich sich vor der demografischen Entwicklung nicht so sehr „fürchten“ müsse wie ande- re Staaten: „Im Zeitraum 2008 bis 2018 ist das inländische Arbeitskräfteangebot um 79.000 gestiegen, wobei vor allem bei den über 50-Jährigen ein massiver Zu- wachs zu verzeichnen ist. Das bedeutet also, dass keine Schrumpfung erfolgt ist, dennoch müssen wir natürlich die Pen- sionseintrittsphase der Baby-Boomer ernst nehmen. Das lässt sich aber mit einem Bündel an Maßnahmen bewerk- stelligen.“ Ein wichtiger Punkt dabei ist es, auch hier ältere Menschen länger im Arbeitsleben zu halten, auch wenn es be- reits Fortschritte gegeben hat: Mitte der 2000er-Jahre lag die Beschäftigungs- quote der 55- bis 64-Jährigen bei 28 Pro- zent, heute hingegen bereits bei 51 Pro- zent. Kopf: „Dennoch befinden wir uns im EU-Vergleich hier erst am Beginn des letzten Drittels. In Schweden liegt diese MÄRZ 2019 – GELD-MAGAZIN | 61 Pensionen & Arbeitsmarkt | VERSICHERUNG WER GEHT WANN IN RENTE? (Durschnittliches Erwerbsaustrittsalter 2016) Männer Frauen Effektiv Gesetzlich Effektiv Gesetzlich Korea 72,0 61,0 72,2 61,0 Japan 70,2 65,0 68,8 65,0 Portugal 69,0 66,2 64,9 66,2 Irland 66,9 66,0 63,5 66,0 USA 66,8 66,0 65,4 66,0 Schweiz 66,0 65,0 64,3 64,0 Kanada 65,9 65,0 63,1 65,0 Schweden 65,8 65,0 64,6 65,0 Australien 65,2 65,0 63,6 65,0 OECD 65,1 64,3 63,6 63,4 Großbritannien 64,6 65,0 63,2 63,0 Dänemark 63,7 65,0 63,1 65,0 Ungarn 63,6 63,0 60,7 60,0 Niederlande 63,5 65,5 62,3 65,5 Deutschland 63,3 65,0 63,2 65,0 Polen 62,6 66,0 59,8 61,0 Tschechien 62,5 63,0 60,8 62,3 Slowenien 62,3 59,3 60,9 59,0 Spanien 62,2 65,0 62,6 65,0 Italien 62,1 66,6 61,3 65,6 Österreich 62,0 65,0 60,6 60,0 Griechenland 62,0 62,0 60,2 62,0 Slowakei 60,8 62,0 59,5 62,0 Frankreich 60,0 61,6 60,3 61,6 Quelle: OECD 2017 „ In Österreich fehlen 162.000 Fachkräfte. “ Aus einer Studie des Instituts für Bildungs- forschung der Wirtschaft „ Wichtig sind gesund- heitsfeundliche und alters- gerechte Arbeitsplätze sowie mehr Investitionen in Krankheitsprävention. “ Thomas Url, Wifo
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