GELD-Magazin, März 2019

S ie sind in die Jahre gekommen und haben eine stattliche Reife erreicht – nämlich die Pensions- reife. Die Rede ist von den Baby-Boomern der 1960er-Jahre, sie sind heute zwi- schen 50 und 60 Jahre alt und möchten in den kommenden Jahren den lange ersehnten Ruhestand antreten. Das ist ihnen natürlich vergönnt, für den Ar- beitsmarkt und in weiterer Folge für das Pensionssystem könnte das allerdings erhebliche Konsequenzen haben. 750.000 RENTNER ZUSÄTZLICH Berechnungen gehen davon aus, dass aufgrund der Baby-Boomer-Pensions- welle bis 2035 zusätzlich rund 750.000 Menschen in Rente gehen werden. Jetzt könnte der Volksmund natürlich sa- gen: „Ist doch okay, so werden wieder Jobs für Jüngere frei.“ Ganz so einfach ist die Sachlage allerdings nicht. Bereits heute besteht ein von der Wirtschaft hef- tig beklagter Mangel an Facharbeiteren – rund 162.000 sollen es laut einer Un- tersuchung des Instituts für Bildungs- forschung der Wirtschaft (iwb) sein. Die von den Baby-Boomern am Arbeitsmarkt zusätzlich hinterlassene Lücke wird nun nicht so ohne weiteres zu füllen sein und hat das Potenzial, die Situation markant zu verschärfen. Hinzu kommt, dass eben innerhalb einer relativ kurzen Zeitspan- ne viele Menschen die Pension antreten bzw. den Arbeitsmarkt verlassen. Was da auf uns zukommt, sieht man anhand des besonders starken Jahrgangs 1963: Fast 135.000 Geburten hat es damals gegeben. Werden die Jobs nicht adäquat nachbesetzt, fehlen natürlich wiederum Beitragszahler, die das Umlageverfahren nicht stützen können. Und das, obwohl das staatliche Rentensystem bereits an seiner Belastungsgrenze angekommen ist. Welche Lösungen gibt es jetzt, um diesem Dilemma zu entkommen? BEI DEN WURZELN PACKEN Experten wie Thomas Url, er hat sich als Ökonom am Wifo intensiv mit Fra- gen des Pensionssystems und des Ar- beitsmarktes beschäftigt, meinen, dass man aus gegebenem Anlass natürlich nicht nur die Baby-Boomer auf die Agen- da setzen darf: „Die prinzipielle Proble- matik liegt darin, dass wir in Österreich mit einem besonders niedrigen Pensions- eintrittsalter konfrontiert sind. Güns- tige Frühpensions- und ,Hacklerrege- lung‘ werden gerne genützt und haben dazu geführt, dass die Österreicherinnen und Österreicher im Durchschnitt mit 59 Jahren in Pension gehen. Zieht man wie- derum die durchschnittliche Lebenser- wartung heran, kommt man auf 26 Jah- re, die in der Pension verbracht werden. Das ist natürlich schwer zu stemmen – mit oder ohne Baby-Boomer.“ Ein Lö- sungsansatz liegt deshalb für den Exper- ten darin, das faktische an das gesetz- CREDIT:AMS/Spiola,pixabay VERSICHERUNG | Pensionen & Arbeitsmarkt 60 | GELD-MAGAZIN – MÄRZ 2019 Die extrem geburtenstarken Jahrgänge der 1960er-Jahre haben sich lange genug abgerackert und treten nach und nach ihren wohlverdienten Ruhestand an. Am Arbeitsmarkt könnte das allerdings eine schwer zu schließende Lücke hinterlassen, was wiederum die Finanzierung des ohnedies strapazierten staatlichen Pensionssystems zusätzlich erschwert. Harald Kolerus Goodbye Baby-Boomer! „Ein entscheidender Punkt am Arbeits- markt ist es, ältere Menschen noch län- ger im Berufsleben zu halten.“ Johannes Kopf, AMS ANTEIL DER ARBEITSLOSEN MIT GESUNDHEITSPROBLEMEN Die Zahl der Arbeitslosen mit Behindertenstatus sowie Personen mit einer „sonstigen gesund- heitlichen Vermittlungseinschränkung“ nach AMS-Definition steigt weiter an. Deshalb empfehlen Experten Investitionen in Krankheitsprävention. AMS,WIFO-Berechnungen Anteile in % 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 20,0 15,0 10,0 5,0 0,0

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