GELD-Magazin, März 2019
aktien | Börse Wien 44 | GELD-MAGAZIN – märz 2019 A n der Börse in Wien notieren einige Unternehmen, die unter fundamentalen Gesichtspunk ten sensationell günstig sind. Um das zu dokumentieren ein Beispiel: Polytec. Der Autozulieferer wird 2018 einen Umsatz von knapp 640 Millionen Euro gemacht haben. Zugegeben, 2017 waren es mit 676 Millionen Euro um rund fünf Pro zent mehr. Aber wir kennen alle die Pro bleme in der europäischen Autobranche. Trotz allem wird das EBITDA, also der Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschrei bungen und Amortisation, etwa 67 Mil lionen Euro betragen – die derzeitige Marktkapitalisierung von 196 Millionen Euro macht lediglich etwa das 2,9-Fache aus. Bei einer Firmenübernahme wird in der Regel zumindest das Fünf- bis Sie benfache des EBITDA als Kaufpreis an gesetzt – oder auch etwa das 15-Fache des Jahresergebnisses, das bei Polytec rund 30 Millionen Euro ausmacht. Dem nach wäre ein Aktienkurs von gut 15 bis 21 Euro durchaus gerechtfertigt. Es gibt natürlich bei der Bewertung einige Fak toren, die den Unternehmenswert drü cken können, wie drohende Abwer tungen, hohe Schulden, ein unfähiges Management etc. Nichts von alledem ist bei Polytec auszumachen. Warum also ist die Aktie derzeit so günstig? Neben der Angst der Anleger, dass sich das Um feld in der Autoindustrie weiter verschär fen könnte, liegt die Unterbewertung in der geringen Liquidität der Aktie. Knapp 30 Prozent der Firmenanteile hält die Fa milie Huemer, einige Prozente langfristig orientierte Investmentfonds. Daher bleibt nur rund die Hälfte der Marktkapitalisie rung für den freien Börsenhandel. Und das ist institutionellen Anlegern einfach zu wenig, um ohne größere Kursbewe gungen Käufe und Verkäufe vornehmen zu können. Den Großaktionären wiede rum ist es schlicht egal, wo der Kurs kurzfristig steht, sie profitieren von der Dividende. Polytec zahlt von den 30 Mil lionen Euro Nettogewinn rund zehn Mil lionen Euro an die Aktionäre aus – also drei Millionen Euro an die Familie Huemer. Völlig egal, wo der Aktienkurs steht. Für Anleger, die sich mit dem Großaktionär ins gleiche Boot setzen wollen, ist es jedoch vorteilhaft, zu einem günstigen Zeitpunkt einzusteigen. Zu einem Zeitpunkt, bei dem der Kurs tief liegt und die Dividendenrendite hoch ist. Und das ist bei Polytec derzeit der Fall: Die Aktie ist mit lediglich dem 2,8-fachen EBITDA und einem KGV von 6,8 bewer tet. Ein KGV von 6,8 bedeutet übrigens eine Nettorendite, die das Unternehmen erwirtschaftet, auf das Aktienkapital ge rechnet von 14,7 Prozent! Würde Polytec nicht nur ein Drittel des Gewinns, son dern die Hälfte als Dividende auszahlen, läge die Dividendenrendite nicht bei 4,6 Prozent, sondern bei 7,4 Prozent. Also, was will man mehr? Porr und UBM als „Familienunternehmen“ Aber Polytec ist nicht die einzige auf diese Weise herausragende Aktie. Wir haben sie hier ausführlicher beschrie ben, um die zeitweilige Diskrepanz zwi schen fundamentaler und Marktbewer tung zu veranschaulichen. Nehmen wir ein anderes Beispiel: die durch die Groß aktionäre Karl-Heinz Strauss und Klaus Ortner verbundenen beiden Konzerne Porr und UBM Development. Da liegt der Fall ähnlich: Ortner und Strauss halten am Baukonzern Porr 53,7 Prozent, am Immobilienentwickler UBM Development 38,8 Prozent. Durch zusätzliche Mitar beiterbeteiligungen reduziert sich der Streubesitz bei beiden Unternehmen auf unter 50 Prozent, womit die Firmenlen kung ausschließlich bei Strauss & Ort ner liegt. Großanlegern ist so eine Kon zentration nicht wirklich recht. Redu ziert man jedoch den Blickwinkel auf die fundamentale Bewertung, ergibt sich charts:Tai Pan/software-systems,BörseWien In Wien ticken die Uhren anders. Bis auf einige ATX-Unternehmen, die intensiv von Analysten beobachtet wer- den, dümpeln die Kurse einiger kleinerer Firmen relativ unbeobachtet vor sich hin. Für langfristige Investoren, die es auf hohe Dividenden abgesehen haben, bieten sich hier hervorragende Kaufgelegenheiten. Mario Franzin Abseits des Mainstreams Negative Nachrichten vom US-Handels- streit, dem Brexit und einer nachlassenden Wirtschaftsdynamik in Europa haben sich Ende 2018 an der Börse mehr als einge- preist. Eine leichte Entspannung bei den Konfliktthemen führte seit Jahresbeginn zu einer Erholung des ATX. Er konnte sich zuletzt zwar über der 3000-Punkte-Marke halten, doch nun scheint ihm wieder etwas die Luft auszugehen. ATX | Deutliche Erholung seit Jahresbeginn
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