GELD-Magazin, März 2019

E s ist eine erfreuliche Rechnung: Aufgrund der extrem niedrigen Zinsen kann sich die Republik Österreich zu äußerst günstigen Kondi­ tionen finanzieren. Somit fallen die Zins­ zahlungen für Schulden viel niedriger aus als im langfristigen historischen Durchschnitt. Die Österreichische Bun­ desfinanzierungsagentur schätzt die Er­ sparnis von 2008 bis 2018 mit immerhin 21 Milliarden Euro ein. Noch wichtiger ist aber langfristig, dass die Aufnahme zu den niedrigen Zinsen auch dazu ge­ nutzt wurde, besonders langfristige Wert­ papiere zu begeben. Über die gesamte Laufzeit der Anleihen ist die Ersparnis mit 69 Milliarden Euro also wesentlich größer. Eine ganze Menge Geld also, wo­ bei sich die Frage stellt, was mit den vie­ len Milliarden geschehen ist? Denn wir schreiben noch immer ein Budgetdefizit und von einer Entlastungswelle kann in den letzten rund zehn Jahren auch nicht die Rede sein. Vergebene Chancen Lukas Sustala, Wirtschaftsexperte in der Denkfabrik Agenda Austria, dazu: „Das Gefühl ist richtig, dass Österreich einige Chancen verstreichen hat lassen, die sich aus den Zinsersparnissen erge­ ben haben. Der Rückenwind wurde etwa fiskalpolitisch nicht genutzt, um die Steuerbelastung nachhaltig zu senken oder in den Standort zu investie­ ren. Es erfolgten aber auch etwa keine massiven Investitionen in eine Moderni­ sierung der Infrastruktur. Damit steht Österreich übrigens nicht alleine da, so wurden etwa in Italien Konsumpro­ gramme gefahren und nicht etwa die In­ frastruktur auf Vordermann gebracht.“ Aber kehren wir zurück in die Alpen­ republik. Was wäre passiert, wenn es die immensen Zinsersparnisse nicht ge­ geben hätte? Wären die Budgetdefizite seit 2008 erst recht explodiert? Susta­ la dazu: „Man kann natürlich auch kon­ trafaktisch argumentieren: Ohne Zinser­ sparnisse hätte in diesen und jenen Be­ reichen gekürzt werden müssen oder es wäre zu Steuererhöhungen gekommen. Unter dem Strich bleibt allerdings übrig, dass man nach Abzug der Zinserspar­ nisse in diesem Land von keiner wirklich strukturellen Sparpolitik reden kann.“ Ein anschauliches Beispiel der jüngsten Vergangenheit: Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) hat im Februar freudig ver­ kündet, dass 2018 das Budgetdefizit auf 1,1 Milliarden Euro gesunken ist – ur­ sprünglich waren 2,1 Milliarden minus budgetiert worden. Das liegt daran, dass 554 Millionen Euro weniger ausgegeben und 501 Millionen mehr eingenommen wurden. Allerdings merkt Sustala in die­ sem Zusammenhang an, dass wiederum 488 Millionen Euro weniger als vorgese­ hen an Zinszahlungen berappt worden sind. Somit belaufen sich die tatsäch­ lichen Einsparungen auf lediglich 66 Millionen Euro. Das GELD-Magazin hat auch mit Margit Schratzenstaller, Stell­ vertretende Leiterin des Wifo, zu der The­ creditS: beigestellt,Archiv wirtschaft | Budget- und Steuerpolitik 16 | GELD-MAGAZIN – märz 2019 Die Staatsschulden- und Wirtschaftskrise aus dem Jahr 2008 zeigt noch immer ihre Nachwirkungen. Wobei nicht nur negative Konsequenzen zu beklagen sind: Aufgrund des historischen Niedrigzinsniveaus haben sich Staaten mit guter Bonität wie Österreich hohe Milliardenbeträge an Schuldenzahlungen erspart. Nur, wo ist eigentlich das viele Geld geblieben? Harald Kolerus Wo sind nur die Milliarden? Quelle:EC–AutumnEconomicForecast,November2018/StatisticsAustria,September2018 FederalMinistryofFinance,October2018 Die StaatsVerschuldungen reduzierten sich in Europa Griechenland ist der „Schuldenkaiser“ in Europa; Österreich liegt unter dem Schnitt der Eurozone, die Alpenrepublik könnte dennoch effizientere Sparpolitik betreiben. 200 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0 Griechenland Italien Portugal Zypern Belgien Frankreich Spanien Eurozone Österreich Slowenien Irland Deutschland Finland Niederlande Slowakei Malta Lettland Litauen Luxemburg Estland ni % des BIP 109,4 102,4 8,0 4,5 14,9 21,4 14,6 34,8 18,2 37,1 62,6 47,9 28,5 48,8 54,7 53,2 32,7 59,8 65,2 60,1 42,4 63,9 21,8 70,2 68,7 74,2 68,7 86,9 39,5 96,9 68,8 98,7 92,5 101,4 45,6 105,0 71,7 121,5 131,1 182,5 2008 2018e

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