GELD-Magazin, März 2019
V erlust der Souveränität über die eigene Staatskassa, fast drei- einhalb Millionen Flüchtlinge, eine der höchsten Mordraten der Welt, Warenknappheit und Hyperinflation, die z.B. den Preis einer Rolle Klopapier auf einen halben Monatslohn getrieben hat – Venezuela befindet sich im politischen und wirtschaftlichen Ausnahmezustand. Wie kam es dazu, dass das einst reichste Land Südamerikas mit den größten Erd- ölreserven der Welt zum Armenhaus degradierte? Ertrunken im Erdöl Venezuelas wirtschaftlicher Aufstieg und Niedergang ist eng an seinen Res- sourcenreichtum und seine Stellung als Petrostaat gebunden. Nachdem Geologen der Royal Dutch Shell Company Anfang der 1920er im La Rosa Feld auf riesige Mengen Öl stießen, explodierte die Pro- duktion mit Hilfe ausländischer Firmen in nur wenigen Jahren von knapp über einer Million Barrel auf 137 Millionen Barrel pro Jahr. Kapital floss ins Land, die Landeswährung Bolivar wertete ra- sant auf und die Erdölindustrie begann Ressourcen aus anderen Sektoren zu verdrängen. Über stetige Steuererhö- hungen auf die Gewinne der Erdölpro- duzenten sicherte sich der Staat seinen Anteil am Reichtum und finanzierte sei- ne Ausgaben und Importe. Es folgte 1960 der Beitritt zur OPEC und weitere Abga- benerhöhungen für ausländische Unter- nehmen, bis Präsident Carlos Andres Pe- rez die venezolanische Öl-Industrie 1976 mit der Gründung der „Petroleos de Ve- nezuela, S.A.“ (PDVSA) verstaatlich- te. Während dieser Zeit entwickelte sich Venezuela zum Land mit dem höchs ten Pro-Kopf-Einkommen in Lateiname- rika. Über 100 Milliarden Dollar spülte das schwarze Gold zwischen 1972 und 1997 in die Staatskassen und ermög lichte großzügige öffentliche Programme und Subventionen im Gesundheits-, Bil- dungs-, Transport- und Nahrungsmittel- bereich. Ein Segen und Fluch zugleich, denn als die Ölpreise in den achtziger Jah- ren fielen, brach auch Venezuelas Wirt- schaft ein und die Preise für die größ- tenteils importierten Güter explodierten. Um den wachsenden Schulden Herr zu werden und die wirtschaftliche Lage in den Griff zu bekommen, entschloss sich Perez unter Anleitung des Internationa- len Währungsfonds (IWF), neoliberale Reformen einzuleiten, Märkte zu öffnen und Austeritätsmaßnahmen durchzu- setzen. Die damit einhergehenden Ein- creditS: Николай Григорьев /stock.adobe.com Brennpunkt | Venezuela-Krise 10 | GELD-MAGAZIN – märz 2019 Untergang des Erdölgiganten Ressourcenreichtum ist kein Garant für Wohlstand! Trotz der weltgrößten Erdölreserven scheiterte im ehe- mals reichsten Land Südamerikas der „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ und hinterlässt eine verarmte Bevölkerung, Hyperinflation sowie eine explosive politische Lage. Moritz Schuh Das Militär steht (noch) hinter dem amtierenden Staatspräsidenten Nicolás Maduro und sichert die Grenzen Venezuelas gegen Hilfslieferungen aus den USA. Doch die Unterversorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs lässt die Volksseele kochen.
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