GELD-Magazin, Februar 2019
da, De-Eskalationsszenarien erscheinen aber zumindest möglich. Wie sieht es mit einem anderen Schreckgespenst aus, der Rezession? Brezinschek: „In den Börsen- kursen sehe ich keine Rezession einge- preist. Übrigens halte ich nicht viel davon, eine Rezession vorhersagen zu wollen, das funktioniert in Wirklichkeit nicht. Alle Rezessionen, die bisher eingetreten sind, wurden nicht prognostiziert.“ Tilmann Galler, Kapitalmarktstra- tege bei J.P.Morgan Asset Management, versucht in seinem aktuellen Jahresaus- blick dennoch den Blick in die Kristall- kugel: „Trotz des nachlassenden Momen- tums in den USA sind die Rezessionsri- siken in den USA gering, weil der Arbeits- markt weiterhin sehr robust ist und die Löhne weiter steigen.“ Für Europa fällt sein Ausblick allerdings verhaltener aus, da beispielsweise in Frankreich die Gelb- westen-Proteste die Konjunktur dämp- fen dürften und auch Italien eine größere Wachstumsschwäche zeigt. „Einige euro- päische Länder, wie Frankreich oder Ita- lien, flirten im Lauf des Jahres mit der Rezession. Das Wachstum in Europa dürfte insgesamt aber noch leicht positiv bleiben“, so Galler. Stefan Bruckbauer, Chefvolkswirt der UniCredit Bank Austria, analysiert die Situation wiederum wie folgt: „Die Kon- junkturstimmung fällt global gesehen positiv aus, aber der Höhepunkt wur- de bereits deutlich überschritten. Für 2019 erwarte ich eine leichte, für 2020 dann eine deutlichere Abschwächung der Weltwirtschaft. Die USA haben heuer dank der Steuerreform aus 2018 noch et- was Luft, allerdings rechne ich heuer mit einer Abflachung, für 2020 ist das Ab- rutschen in die Rezession zu erwarten.“ Nachsatz des Ökonomen: „Vielleicht wer- den wir eine Rezession in den Vereinigten Staaten aber auch schon Ende 2019 se- hen.“ Für den Euroraum rechnet Bruck- bauer heuer mit einem BIP-Wachstum von 1,4 und 2020 von 1,1 Prozent – das Schreckgespenst der Rezession dürfte also laut dieser Einschätzung zumindest bis auf Weiteres gebannt sein. Consen- sus-Schätzungen laut Thomson Reuters kommen übrigens zu einem ähnlichen Ergebnis: Sie gehen für dieses Jahr sogar von einem Wachstum von 1,6 Prozent aus. Bruckbauer dazu augenzwinkernd: „Die Welt geht nicht unter!“ Spannende Margen Die glücklicherweise abgesagte Apo- kalypse eröffnet uns die Chance, mög- liche Entwicklungen im zweiten Halbjahr 2019 genauer unter die Lupe zu nehmen. RCB-Spezialist Brezinschek glaubt, dass dann der Blick bereits auf den Konjunk- turerwartungen und den Gewinnpro- gnosen für 2020 liegen wird: „Für 2019 wurden die Gewinnschätzungen für alle wesentlichen Märkte zurückgenommen, was ich für vernünftig halte. Ein Ge- winnwachstum von mehr als fünf Pro- zent in 2020 halte ich für unwahrschein- lich. Was die Bewertungen betrifft, se- hen wir in Europa ein moderateres Bild als in den USA. Allerdings bedeutet bil- liger nicht automatisch attraktiver. Im breiten US-Index S&P 500 findet sich eine durchschnittliche Gewinnmarge von 14 Prozent, was ich doch als sensatio- nell bezeichnen möchte. Beim EuroStoxx 500 sind es hingegen nur sieben Prozent. Schade, dass in Europa Technologiewer- te wie Amazon, Apple oder Microsoft feh- len. Alleine die Börsenkapitalisierung dieser drei Aktien beträgt umgerechnet rund 2000 Milliarden Euro. Der gesamte DAX kommt auf 1040 Milliarden Euro.“ Prinzipiell sieht der Raiffeisen-Exper- te ein überdurchschnittliches Gewinn- wachstum für den gesamten IT-Bereich, weil hier mit Geschäftsmodellen operiert wird, die über Konjunkturzyklen hinaus- reichen. Etwas weniger optimistisch ist februar 2019 – GELD-MAGAZIN | 25 Börsenausblick | märkte & fonds „Die Welt geht nicht unter, auch wenn eine Rezession in den Vereinigten Staaten für 2020 wahrscheinlicher wird“ Stefan Bruckbauer, Bank Austria „Es gibt viele Geschäftsmodelle, die stabiles, nach- haltiges und vor- hersehbares Ge- winnwachstum versprechen“ Zak Smerczak, Comgest „Die alte Börsen- weisheit, dass poli- tische Börsen kur- ze Beine haben, muss seit dem Jahr 2018 ad acta ge- legt werden“ Peter Brezinschek, RBI Wenn der Börsen-Bär die Zähne fletscht, herrscht blanke Panik am Parkett. Allerdings könnte jetzt zunächst Zeit zum Durchatmen gekommen sein.
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