GELD-Magazin, Februar 2019

könnten viel besser sein. Allgemein wün- sche ich Österreich mehr Mut.“ Jobs in gefahr? An das Horrorszenario, dass die In- dustrie 4.0 an die 50 Prozent der beste- henden Jobs gefährden könnte, glaubt der Experte nicht: „Das scheint mir im globalen Kontext, aber vor allem in Bezug auf Österreich stark übertrieben. Hier könnten in den kommenden 15 Jahren vielleicht 10 bis 30 Prozent der Arbeits- plätze betroffen sein, was nicht bedeutet, dass diese auch wegfallen. Sie werden sich aber verändern und neue Arbeits- möglichkeiten entstehen. Ich denke hier etwa an Moderatoren und Psychologen, die Menschen dabei helfen, die Integra­ tion der Maschinen in das Berufs- und Privatleben zu erleichtern.“ Allerdings brauche man bessere Qualifikation und ein Bildungssystem, das darauf abziele, „das Lernen zu lernen“, so der Experte. „Offensiven wie „fit für das Internet“ wer- den hierbei nicht ausreichen. Wir brau- chen mehr Fachhochschulen und spe­ zialisierte Ausbildungsmöglichkeiten. Außerdem müssen wir uns Expertise aus anderen Ländern holen; Technologie­ experten und Facharbeitskräfte müs- sen schnell zu uns kommen können – das System der Rot-Weiß-Rot-Karte ist hier viel zu langsam. Auch in Österreich gibt es gute Technologen, aber die gehen nach Asien oder in die USA, wo sie ent- scheidend besser verdienen. Es gilt also, dem brain drain entgegenzuwirken.“ Dem stimmt der Technologiephilosoph Armin Grunwald zu und rät im Interview (rechts) zu mehr Kreativität. februar 2019 – GELD-MAGAZIN | 19 Digitalisierung | wirtschaft Ihr neuestes Buch heißt „Der unterlegene Mensch. Die Zukunft der Mensch- heit im Angesicht von Algo- rithmen, Künstlicher Intelli- genz und Robotern“. Ist der Homo sapiens den neuen Technologien tatsächlich unterlegen? Armin Grunwald: Im letzten Kapitel des Werks erkläre ich, warum der Mensch inWirklichkeit doch über­ legen ist. Wir entwickeln neue Techniken und hochmoderne Maschinen für Tätigkeiten, die wir nicht mehr leisten können oder wollen. Denn immerhin kreiert der Mensch die Ma­ schine – und nicht umgekehrt. Wie wird eine Welt, die von Digitalisierung zunehmend geprägt ist, aussehen? Alle reden von Digitalisierung, wunderbare Zukunftsperspektiven werden hier entworfen. Komfort und Wohlstand, mehr Gesundheit etc. sollen auf uns warten. Diese neuen An­ nehmlichkeiten sind aber nur die eine Seite der Medaille. Wir machen uns aber auch von digitalen Technologien immer stärker ab­ hängig, das Risiko totaler Überwachung, massenweise Übernahme menschlicher Ar­ beitsplätze durch Roboter, die Manipulation öffentlicher Meinung, der drohende Kon­ trollverlust des Menschen über die Technik – diese andere Seite zeigt bedrohliche Züge. Zum Beispiel ist die Aufregung um die Auswirkungen der Digitalisierung am Arbeitsmarkt groß. Die Rede ist von massenhaftem Jobverlust... Es ist, um ein plastisches Beispiel zu brin­ gen, möglich, dass wir noch Roboter erleben werden, die die Post austragen. Noch wäre das zu teuer, weil die Postkästen elektro­ nisch aufgerüstet werden müssten etc. In Wirklichkeit weiß aber noch niemand, wie die Arbeitswelt von morgen aussehen wird. Es gibt hier auch positive Visio­ nen: Automatisierung und Digitalisierung versprechen, die inder Industriearbeitenden Menschen von mechanischen und monotonen Tätigkeiten zu befreien, damit sie stärker ihre kreativen Fähigkeiten ausprä­ gen und einbringen können. Und dass neue Jobs entste­ hen. Man muss sich aber auch der Gefahren bewusst sein. Denken Sie nur an Millionen von selbst fahrenden Autos, die möglicherweise gehackt werden können.Wo­ bei ich hinzufüge, dass meiner Meinung nach die selbst gesteuerten Automobile nicht so schnell kommen werden, wie oft behauptet. Ich denke, dass hier erst noch wichtige technische, aber auch ethische Fragen be­ antwortet werden müssen. Welche Aufgaben kommen der Ethik in diesem Bereich zu? Ethik soll hier Chancen und Risiken abwägen und die Sorgen über die Macht der Digitali­ sierung behandeln. Eine davon dreht sich um die Abhängigkeit, in die wir uns gegenüber Google, Facebook, Amazon usw. begeben. Es sind Datenmonopolisten entstanden, die ihre Position weiter ausbauen. Eine umfas­ sende Diskussion ist notwendig, so hat der Deutsche Bundestag im Juni 2018 eine Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz – gesellschaftliche Verantwortung und wirt­ schaftliche Potenziale“ eingesetzt. Was könnte man einer kleinen Volkswirt- schaft wie Österreich empfehlen, um auf Digitalisierung gut vorbereitet zu sein? In Zeiten der Digitalisierung spielen Größe oder Kleinheit keine besondere Rolle mehr. Man denke an den großen Erfolg von Nokia aus dem kleinen Finnland. Von daher: auf Kreativität und Reflexion gleichermaßen set­ zen, das gilt für Große und Kleine! Armin Grunwald, Professor für Technikphilosophie am Karlsruher Institut für Technologie | interview

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