Covid-19 Simulator berechnet das Infektionsrisiko
Die anhaltende Debatte über die Notwendigkeit und Wirkung gängiger Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie bestimmt seit Monaten den öffentlichen Diskurs. In diesem Kontext testet der Covid-19 Simulator, ein computerbasiertes Aerosol- und Bewegungstool von PwC Österreich, aktuell die Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen in öffentlichen Räumen.
Mit Hilfe des Covid-19 Simulationstools berechnete ein interdisziplinäres Forschungs-Team in den letzten Wochen u.a. das Infektionsrisiko in einem realen Unterrichtsraum des Samariterbundes in unterschiedlichen Situationen und kann nun erste Ergebnisse präsentieren: In allen Szenarien, in denen Maßnahmen gesetzt wurden (Maske tragen, regelmäßig Lüften sowie Abstand halten), konnte die Ansteckungsgefahr erheblich gesenkt werden. Besonders hohe Ansteckungsgefahr wurde hingegen in Räumen erkannt, in denen laut gesprochen und schlecht gelüftet wird, so die Zwischenergebnisse des Projekts. Allerdings ist das Risiko von der konkreten Situation abhängig, wie folgende Beispiele zeigen:
- Lautes Sprechen in offenen Bereichen kann zu Ansteckungen in Entfernungen von über zwei Metern führen.
- Bei schlechter Belüftung in offenen Bereichen, in denen viel und laut gesprochen wird (z.B. in einem Callcenter), ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass asymptomatische Personen andere infizieren – selbst, wenn diese bis zu sieben Meter entfernt von der infizierten Person sitzen.
- Kaum effektiv sind in diesem Fall Trennwände. Auch Masken haben in gut belüfteten Räumen und bei stillem Arbeiten in bestimmten Konstellationen keinen signifikanten Einfluss auf das Infektionsgeschehen.
- Die Aufforderung an die anwesenden Personen, ihre Stimme zu senken bzw. nur in einem separaten, belüfteten Raum laut zu sprechen, konnte die Wahrscheinlichkeit, mindestens eine weitere Person zu infizieren, auf unter 1 Prozent senken.
Der im Oktober von PwC Österreich vorgestellte und von der Stadt Wien im Rahmen des Innovate4Vienna Projektes geförderte Covid-19 Simulator basiert auf modernen Crowd-Simulationen. Nach der Erstellung eines virtuellen Raums wird das Modell mit animierten Akteuren, möglichst realitätsnahen Parametern und den zu testenden Maßnahmen befüllt. So werden unterschiedliche Ansätze zur Eindämmung der Pandemie in der virtuellen Realität getestet, um daraus datengestützte Empfehlungen für den bestmöglichen Maßnahmenmix abzuleiten. Die Berücksichtigung von Bewegung, der Zufälligkeit des menschlichen Verhaltens und der Wirkung verschiedener Innenraumgestaltungen ist dabei ein entscheidender Unterschied zu rein mathematischen Modellen.
Simulator macht Aerosolausbreitung sichtbar
„Der wesentliche Differenzierungsfaktor unseres Simulators liegt in der einfachen und klaren Darstellung, wie sich das Virus in der konkreten Alltagssituation verhält. Wer das verstanden hat, dem fällt es leichter, die richtigen Maßnahmen festzulegen und sich in der jeweiligen Situation richtig zu verhalten“, kommentiert Gerald Dipplinger, Projektleiter und Partner bei PwC Österreich. Aus den Simulationen lassen sich auch für Freizeiteinrichtungen, wie z.B. Stadien oder Schigebiete Empfehlungen ableiten, denn der Simulator liefert auch die Antwort auf Fragestellung, wie viele Personen sich in einem Raum sicher aufhalten können: „Nicht die Menge der Kontakte, sondern deren Qualität ist entscheidend. Während jene Situationen besonders kritisch sind, in denen die Luft nicht zirkulieren und kein Abstand eingehalten werden kann, sollte das Ansteckungsrisiko im Bereich von Schiliften deutlich geringer sein.”
Darüber hinaus bietet das Computerprogramm ebenso gut die Möglichkeit, auch die Verbreitung anderer Viren grafisch darzustellen. Zukünftig soll das Modell deshalb auch für weitere Infektionskrankheiten, wie etwa der saisonalen Grippe, kalibriert werden.
In Zusammenarbeit mit Expert*innen des Samariterbunds sowie wissenschaftlichen Expert*innen des AIT Center for Technology Experience wird das Computermodell laufend weiterentwickelt, unter anderem auch durch Anwendung in der Samariterbund-Akademie. Basierend auf neuen Erkenntnissen konnte nun auch die Aerosolausbreitung im Programm simuliert und sichtbar gemacht werden.
Mag. Andreas Balog, Geschäftsleitung bei Samariterbund Österreich: „Gerade in Ausnahmesituationen wie wir sie durch die Covid-19 Pandemie gerade erleben, ist es umso wichtiger, Entscheidungen transparent, nachvollziehbar und faktenbasiert zu treffen. Mit dem Projekt Covid-Präventionssimulator verfolgen wir genau dieses Ziel: Basierend auf konkreten Daten und wissenschaftlichen Studien kann der beste Maßnahmenmix in einer Infrastruktur errechnet und mittels 3D-Simulation optisch dargestellt werden. Ob in Büros, Schulen und Universitäten, Stadien und Veranstaltungsstätten oder Massenverkehrsmitteln: Wir können die Effekte einzelner Maßnahmen bewerten und so einerseits die Gesundheit der Menschen schützen und andererseits unser Wirtschafts- und Sozialleben bestmöglich aufrechterhalten.“
Visualisierungen sollen Akzeptanz für Maßnahmen fördern
Ein zentraler Kern des Forschungsprojekts beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit sich detaillierte Visualisierungen des Ansteckungsrisikos auf das Verhalten der von den Maßnahmen Betroffenen auswirken. Eine Akzeptanzstudie des Projektpartners AIT Austrian Institute of Technology soll Aufschluss geben, ob sich nach Interaktion mit dem Computermodell das Verständnis für Schutzmaßnahmen erhöht. Langfristig könnten somit die visualisierten Ergebnisse des Covid-19 Simulators zu einer Sensibilisierung der Gesellschaft beitragen.
Covid-19 Simulator: Enormes Potential für Gesellschaft, Bildung und Wirtschaft
Von neuen Schulkonzepten über einen sicheren Bürobetrieb bis hin zur Rückkehr zu Veranstaltungsaktivitäten bietet der Covid-19 Simulator beachtliches Anwendungspotential. Auch in der heimischen Wirtschaft stößt die Innovation auf reges Interesse. Bereits zahlreiche österreichische Unternehmen haben sich angemeldet, die Wirksamkeit der Covid-19 Maßnahmen an ihren Standorten analysieren zu lassen.
„Solange es noch keinen flächendeckenden Impfstoff in Österreich gibt, müssen wir weiterhin greifende und vor allem individuell abgestimmte Schutzmaßnahmen identifizieren. Das gilt sowohl für Unternehmen wie auch für öffentliche Institutionen und Einrichtungen. Nur so können wir den Betrieb in Zeiten der Pandemie aufrechterhalten und zugleich einen weiteren Lockdown verhindern“, so Gerald Dipplinger.
PwC/sj