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8. September 2020

Tourismus: Kein Totalabsturz

Harald Kolerus 2-e1666618640728
Mag. Harald Kolerus GELD-Magazin / Redakteur

Drastische Einbrüche der Besucherzahlen machen dem klassischen „Ferienland“ Österreich zu schaffen. Der heimische Tourismus will mit Nachhaltigkeit und Transparenz punkten. Es herrscht das Prinzip Hoffnung.

Die Bedeutung der Tourismus- und Freizeitwirtschaft für Österreich kann fast nicht hoch genug eingeschätzt werden: Rund 16 Prozent macht sie am heimischen BIP aus. Damit liegt die Alpenrepublik laut statista.com weltweit an fünfter Stelle. Nur die Philippinen (24,7 % BIP-Anteil), Thailand, Hongkong und Mexiko sind noch stärker von dieser Branche abhängig. Selbst die Sonnenparadiese Spanien und Italien lässt Österreich in dieser Beziehung hinter sich, ganz zu schweigen von Deutschland mit einem Touristik-Anteil von nicht einmal neun Prozent.

Gar nicht rosig

„Ein ,back to normal‘ kann es erst geben, wenn wirksame Impfstoffe oder Medikamente gegen Corona entwickelt sind.“ Petra Stolba, Geschäftsführung Österreich Werbung

Somit ist klar, dass Österreich von der Corona-Krise in touristischer Hinsicht besonders stark getroffen wird. Petra Stolba, Geschäftsführerin der Österreich Werbung, führt im Gespräch mit dem GELD-Magazin Bilanz: „Bei den Nächtigungen von März bis Mai muss man praktisch von einem Totalausfall sprechen. Im Juni waren es fast 60 Prozent Minus, im Juli fiel der Rückgang schon deutlich geringer aus. Regional sieht die Bestandsaufnahme wiederum sehr unterschiedlich aus, den Seen-Regionen geht es besser, der Städte-Tourismus leidet besonders stark. In Wien sehen wir ein Minus von rund 90 Prozent.“ Die Expertin meint aber zumindest: „Es läuft doch besser als zuvor erwartet, angesichts von Corona war Schlimmeres bis hin zum Totalausfall befürchtet worden.“ Ähnlich äußert sich Michaela Reitterer, Präsidentin der Österreichischen Hotelerievereinigung (ÖHV): „Teilweise liegen wir wirklich stark über den Erwartungen und niemand freut sich darüber mehr als wir. Aber wir fahren weiter auf Sicht, die Prognosen sind extrem kurzfristig. Wir sind noch lange nicht über dem Berg. 31 Millionen verlorene Gästenächte holt keiner auf. “

Bangemachen gilt nicht

In dieser Situation hilft es natürlich nicht, zu jammern, was keinen einzigen Gast anzieht. Hingegen gibt es durchaus auch Hoffnungsschimmer: Positiv sticht etwa hervor, dass die Nachfrage im Juli über den Prognosen liegt und die Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung greifen: „Mehr Sicherheit und Erfahrung im Umgang mit Corona hat viele Gäste zu kurzfristigen Buchungen motiviert. Die spürbare Entlastung durch Kurzarbeit, Fixkostenzuschuss und die anderen Instrumente zur Krisenbewältigung führen zu mehr Sicherheit in den Betrieben. Wir sind auf dem richtigen Weg, auch wenn es kein leichter ist“, so Reitterer.

Weitere Maßnahmen gefordert

Einfach wird die Rückkehr zur Normalität nicht, weshalb die ÖHV-Präsidentin meint: „Mehr Sicherheit und Planbarkeit würden helfen, von längerer Kurzarbeit für den Stadt- und Kongresstourismus und der Fünf-Prozent-USt über den Jahreswechsel hinaus und Corona-Tests für Mitarbeiter und Gäste, solange sie nötig sind.“ Wichtig wäre außerdem Klarheit für Veranstaltungen in Innenräumen und im Freien, etwa Weihnachtsmärkte, für den Skitourismus generell und eine international abgestimmte Vorwärtsstrategie für die Luftfahrt. Die ÖHV fügt hinzu, dass konkrete Hilfen wie die Investitionsprämie oder der Fixkostenzuschuss II für viele Betriebe in letzter Minute kommen. Stichwort Investitionsprämie: Der Zuschuss für Unternehmen beträgt 7 bis 14 Prozent der Anschaffungskosten für förderungswürdige Investitionen. Walter Veit, Vizepräsident ÖHV: „Prinzipiell handelt es sich dabei um ein gutes Instrument. Für die Hotellerie ist es aber aus jetziger Sicht nicht zur Gänze brauchbar.“ Die Prämie kann rückwirkend ab dem 1. August 2020 bis zum 28. Februar 2021 beantragt werden. Zu kurz, wie Veit meint: „Umbauten und Investitionen passieren in der Hotellerie nicht von heute auf morgen. Im günstigsten Fall gibt es Vorlaufzeiten von einem halben Jahr. Das kann sich aber auch bis zu zwei Jahre ziehen“, so der ÖHV-Vizepräsident. Deshalb plädiert er für eine Verlängerung bis mindestens Ende 2021.

Heiß begehrt: Information

Aber natürlich verlässt sich die Touristik nicht alleine auf staatliche Unterstützung, auch Eigeninitiative ist gefragt. Stolba von der Österreich Werbung: „Das Buchungsverhalten ist sehr kurzfristig und das Informationsbedürnis extrem hoch. Wir sorgen für Transparenz und kommunizieren, dass die Branche sehr verantwortungsvoll mit Covid umgeht. Manche Hotels werben auch mit den Testungen ihrer Mitarbeiter.“ Wann die positive Trendwende erfolgen wird, kann Stolba nicht beantworten: „Ein ,back to normal‘ kann es erst geben, wenn wirksame Impfstoffe oder Medikamente gegen Corona entwickelt worden sind.“

Verhagelte Saison: Die erste Hälfte der heimischen Sommersaison verzeichnet ein starkes Minus bei Ankünften (-53,8%) und Nächtigungen (-44,6%). Wobei, wie anzunehmen war, die inländischen Gäste weniger stark rückläufig sind. Aber es gibt auch verhalten positive Nachrichten: Im Juli fällt der Rückgang mit minus 26,6 Prozent Ankünften und minus 17,4 Prozent Nächtigungen schon deutlich weniger stark aus. Das ist vor allem den inländischen Gäste zu verdanken, die im Juli sogar im Plus liegen.

Harald Kolerus 2-e1666618640728
Mag. Harald Kolerus GELD-Magazin / Redakteur

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