Deutschland: Ausbau der Verteidigung
Der CDU-Vorsitzende und Sieger der Wahlen in Deutschland, Friedrich Merz, ist einem Ausbau der Verteidigung durchaus zugeneigt. Eine Koalition mit der SPD könnte das ermöglichen. Dem stünden aber auch Schwierigkeiten im Weg, meint Gilles Moëc, Chefökonom der AXA Group.
„Die Möglichkeit extremer Parteien, Verfassungsreformen zu blockieren, die notwendig wären, um den finanziellen Spielraum des Landes zu vergrößern, wird ein Problem sein. Die Koalitionsgespräche werden natürlich schwierig sein, da CDU und SPD unterschiedliche Prioritäten bei der inländischen Wirtschaftspolitik setzen. Sie haben aber ein gemeinsames Interesse an der Erhöhung der Verteidigungsausgaben und der Unterstützung der Ukraine sowie eine entschiedene pro-europäische Haltung.“
Europas Verteidigungsstrategie
„Wenn die Beziehung zu den USA zu teuer wird, könnten andere Strategien der Europäer wirtschaftlich attraktiv werden – wie der Ausbau der eigenen Verteidigungsfähigkeit. Dass Deutschland sowohl mit den Briten als auch mit den Franzosen – den beiden europäischen Atommächten – darüber diskutieren müsse, ob die nukleare Teilhabe oder zumindest die nukleare Sicherheit Großbritanniens und Frankreichs auch für Deutschland gelten könnte, war eine bemerkenswerte Aussage von Friedrich Merz und spiegelt eine tiefgreifende Abkehr von Deutschlands strategischer Doktrin wider.“
Partner oder Gläubiger?
Moëc beleuchtet weiters die wirtschaftspolitischen Hintergründe: „Seit 2022 waren europäische Anleger die größten ausländischen Investoren in US-Staatsanleihen. Dies war günstig für die USA, denn es ist sicherer, sich bei anhaltend großzügigen Staatsausgaben auf die Ersparnisse eines politischen und militärischen Partners zu verlassen als auf einen weltpolitischen Rivalen wie China.
Derzeit besteht kein massives bilaterales Leistungsbilanzdefizit. Das US-Handelsdefizit gegenüber dem Euroraum wird durch die hohen Exporte von intellektuellem Eigentum ausgeglichen. Das versetzt die USA in eine komfortable Position. Der Vorsitzende des US-Rats der Wirtschaftsberater (CEA) hatte die Idee, die Europäer zu zwingen, mehr US-Staatsanleihen zu kaufen – quasi als „Gebühr“ für militärischen Schutz und den Verzicht auf Zölle. Das ist ein „Overkill“, weil die Europäer schon jetzt freiwillig einen großen Beitrag zur Schuldentragfähigkeit der USA leisten.“
Streitpunkt Schuldenbremse
„Ein Wandel hin zur eigenständigen Verteidigung für Deutschland und Europa setzt eine klare politische Weichenstellung in Berlin voraus. Der entscheidende Moment wird kommen, wenn in Deutschland eine Verfassungsänderung zur Schuldenbremse vorgeschlagen wird. Dies könnte darüber entscheiden, ob Europa in der Lage ist, die unablässigen Äußerungen aus Washington glaubwürdig zu erwidern. Dann wird sich zeigen, ob die US-Regierung ihr Blatt überreizt hat oder nicht. Kurzfristig könnte sich die neue Regierung wahrscheinlich immer noch auf „außergewöhnliche Umstände“ berufen, um die praktischen Beschränkungen der Schuldenbremse für ein weiteres Jahr aufzuheben. Die Verteidigungsausgaben müssen aber über mehrere Jahre hinweg geplant werden.“
AXA/HK