USA: Wahl fatal
Nicht nur böse Zungen behaupten: Mit derart angeschlagenen Präsidentschaftskandidaten waren die USA noch nicht konfrontiert. Welche Folgen hätten die Wahl Bidens oder Trumps für die Welt und Europa? Der Countdown läuft.
Joe Biden ist parteiintern nach einer desaströsen TV-Konfrontation in die Schusslinie geraten. Ob ein demokratischer „Ersatzkandidat“ gefunden wird, bleibt noch ungewiss. Aber kommen wir zum Status Quo: Was unterscheidet Biden und Trump wirklich, vor allem wenn man auf die geopolitischen und weltwirtschaftlichen Konsequenzen denkt?
Populismus extrem
Gerhard Winzer, Chefökonom der Erste Asset Management, sagt im Gespräch mit dem GELD-Magazin: „Einen klareren Vertreter des bestehenden Systems als Biden gibt es wohl nicht. Im Gegensatz dazu ist Trump der unorthodoxe Herausforderer. Populistischer als Biden stellt Trump sogar die Erkenntnisse der Aufklärung, die Gewaltenteilung und die Wissenschaft in Frage. Den Trumpismus möchte ich als unilateralen Populismus bezeichnen, Stichwort: america first.“
Winzer will das Match zwischen den beiden Kandidaten aber nicht in eine Schwarz-Weiß-Kategorie einteilen: „Die USA gehen auch jetzt einen unilateralen Weg, aber unter Trump wäre er deutlich stärker ausgeprägt.“ Als Folge hätte das die Schwächung aller internationalen Allianzen, wie UNO, NATO und EU. Die Trump-Onomics würden höhere Importzölle, vor allem gegenüber China bedeuten, möglicherweise wären aber auch andere Staaten betroffen, Europa nicht ausgeschlossen. Winzer: „Ein Wahlversprechen Trumps ist es auch, die Zuwanderung einzudämmen und illegale Einwanderer abzuschieben. Weiters strebt er an, die Subventionen für die Bekämpfung des Klimawandels zu streichen, Deregulierung voranzutreiben und permanente Steuersenkungen durchzuführen.“
Weniger Wachstum, mehr Rüstung
Wechseln wir zur Geopolitik: Ein von Trump (praktisch schon versprochener) Handelskrieg würde für die Jahre 2025 bis 2028 einen kumulierten Verlust von vier Prozent bezogen auf das BIP von 2023 in den USA, zehn Prozent in China und drei Prozent in Europa bedeuten. (Prognose laut Roland Berger basierend auf einem Modell von Oxford Economics.) Trump-Onomics würden wiederum laut Winzer alles in allem zu weniger Wirtschaftswachstum und höheren Teuerungsraten führen. Und was hat die EU zu erwarten?
Wenn Trump das Rennen macht, wäre die wichtigste Folge für Europa die Schwächung der NATO. Winzer: „Aber unabhängig vom Wahlausgang ist jetzt schon klar: Die Rüstungsausgaben werden auch innerhalb Europas steigen. Gewinnt Trump, wäre dieser Trend noch offensichtlicher und stärker ausgeprägt als bei einem Sieg Bidens, es handelt sich aber um einen graduellen Unterschied. Jedenfalls: Der Megatrend zu Aufrüstung hat gerade erst begonnen, ob ein verantwortungsvoller Investor in diesem Bereich veranlagen will, bleibt natürlich ihm selbst überlassen.“
Die Wahl an der Börse
Aber abgesehen vom Rüstungskomplex, welchen Einfluss hätte eine Wahl Bidens/Trumps für Anleger? Rein historisch gesehen macht es keinen großen Unterschied, ob gerade Republikaner oder Demokraten am Ruder sind. Auf Sektorebene gilt Folgendes: Dass Trump wie erwähnt die Bekämpfung des Klimawandels nicht mehr forcieren will, verurteilt die ESG-Branche nicht zum Untergang. Schauplatz Texas: Im strikt republikanischen Bundesstaat sind bereits heute 23 Gigawatt an Solarenergie installiert, was für rund 2,6 Millionen Haushalte ausreicht. Bis 2030 sollen nochmals 41 Gigawatt hinzukommen. Es wird sich weisen, ob Trump das Rad der Zeit zurückdrehen kann.
Aktien: USA gegen Europa
Allgemeiner gilt für die Wall Street: US-Unternehmen sind bereits „üppig“ bewertet, wie es Ronald Temple, Chef-Marktstratege bei Lazard, ausdrückt: „Eine Prämie auf US-Titel ist mit Blick auf den Return on Equity durchaus angemessen. Dennoch sind die Bewertungsaufschläge in ihrer derzeitigen Höhe meiner Meinung nach nicht gerechtfertigt.“ Wobei vor allem die amerikanischen Technologie-Riesen die Bewertung der Wall Street nach oben verzerren. Der Experte hält eine gewisse Umorientierung von den „Glorreichen Sieben“ hin zu den „Fabulous Five“ (Novo Nordisk, LVMH, ASML, Nestlé und L‘Oréal) für sinnvoll. Fazit: Weniger US-Blue Chips und mehr europäische Unternehmen könnten dem Portfolio guttun. Eine Lehre, die man sich ganz unabhängig vom Wahlausgang merken kann.
Lesen Sie den vollständigen Artikel in der GELD-Magazin, Nr. 3/2024.