Privatbanken: Fahrt auf Sicht
Eine Stabilisierung des wirtschaftlichen Umfelds öffnet neue und alte Anlagemöglichkeiten – das meinen renommierte Privatbanken. Dennoch ist nicht alles eitel Wonne. Wo Knackpunkte und Chancen liegen, hat das GELD-Magazin erfragt.
Die Inflation sinkt tendenziell und die Geldpolitik der Notenbanken wird restriktiver. Gleichzeitig zeigen sich der Arbeitsmarkt und die Nachfrage nach Konsumgütern nach wie vor robust. Alles in allem also kein schlechtes Umfeld für Investoren, das meinen auch die befragten Privatbanken.
Aktienquote: Neutrale Bandbreite
Helmut Siegler Vorstandsvorsitzender der Schoellerbank fügt aber hinzu: „Dennoch bergen hohe Zinsen Potenzial für Marktinstabilitäten und Krisen. Sowohl das Platzen der Dotcom-Blase um die Jahrtausendwende als auch die Finanzkrise von 2008 begannen am Ende von Zinserhöhungszyklen. Der optimale Zeitpunkt für Zinssenkungen ist also eine Gratwanderung. Die Notenbanken werden ihre Zinsschritte sehr vorsichtig vornehmen und im Zweifel lieber zuwarten, als einen erneuten Anstieg der Inflation zu riskieren.
Es ist jedenfalls nicht so schnell damit zu rechnen, dass die Zinsen wieder auf das extrem niedrige Vorkrisenniveau zurückfallen. Seitens der Fed erwartet der Markt den ersten Zinsschritt gar erst nach der US-Wahl.“ Die Schoellerbank hat die Aktienquote eher am unteren Ende der neutralen Bandbreite“ angesiedelt.
Wirtschaft stärker als erwartet
Auch Martin Gautsch, Bereichsleiter Asset Management der Zürcher Kantonalbank Österreich, wirft einen Blick auf das makroökonomische Umfeld: „Im ersten Quartal ist die Wirtschaft in den meisten Staaten stärker als erwartet gewachsen. Das gilt insbesondere für Europa und die meisten Schwellenländer. Aber auch in den USA, wo das Wachstum auf den ersten Blick enttäuscht hat, nahm der Privatkonsum erneut kräftig zu. Die wichtigsten Vorlaufindikatoren deuten unverändert nach oben und signalisieren damit eine graduelle Erholung.“
Die Zürcher Kantonalbank Österreich hat ihre leichte Übergewichtung bei Aktien beibehalten; Anleihen wurden über die letzten Wochen hinweg laufend auf eine neutrale Quote angehoben und gleichzeitig die Duration etwas erhöht. Gautsch: „Mit Unternehmensanleihen und High Yield Bonds diversifizieren wir unser Portfolio und erhöhen die Ertragschancen.“
Aktien übergewichtet
Harald Holzer, Chief Investment Officer und Vorstandsmitglied der Kathrein Privatbank, fügt hinzu: „Zusammenfassend zeigt der Konjunkturausblick für 2024 in Europa eine Erholung, unterstützt durch eine schrittweise lockere Geldpolitik der EZB und verbesserte Rezessionsindikatoren. In den USA bleibt die Fed aufgrund anhaltend hoher Inflation und robustem Wirtschaftswachstum restriktiv, was die Wahrscheinlichkeit von Zinssenkungen vor den Wahlen reduziert. Die globale Wirtschaftsentwicklung unterstützt weiterhin die Aktienmärkte, mit langfristigen Chancen durch veränderte Globalisierungs- und demografische Trends.“ Folgerichtig werden Aktien über- und Anleihen untergewichtet, Rohstoffe dienen als Beimischung.
Solides Umfeld, aber …
Das Schlusswort gehört Wolfgang Fusek, Leiter Vermögens- und Fondsmanagement, Steiermärkische Sparkasse: „Das weltweite Wirtschaftswachstum wird 2024 bei etwas über drei Prozent prognostiziert. Die US-Wirtschaft läuft robust, die Europäer schwächeln weiterhin und kommen heuer auf nur knapp ein Prozent Wirtschaftswachstum. Aber auch hier haben sich in den letzten Wochen die Anzeichen gemehrt, dass die Wirtschaft auf tiefem Niveau wieder leicht anzieht. Somit befinden wir uns aktuell in einem soliden wirtschaftlichen Umfeld.“
Allerdings: Die Zinsen im mittelfristigen Bereich haben die Rückgänge des vierten Quartals 2023 bereits nahezu wieder kompensiert. Fusek: „Die höheren Marktzinsen stellen damit weiterhin eine Belastung für die US- und die europäische Wirtschaft dar. Die Kreditnachfrage ist verhalten und die nach wie vor existierende inverse Zinskurve zeigt an, dass das Rezessionsgespenst noch nicht vom Tisch ist.“
Lesen Sie den vollständigen Artikel in der GELD-Magazin, Nr. 3/2024.