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12. September 2023

Globalisierung am Ende?

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Mag. Harald Kolerus GELD-Magazin / Redakteur

Lange Zeit wurde sie als alternativlos beschrieben: Die Globalisierung von Wirtschaft und Handel. Jetzt scheinen aber der Ukraine-Krieg und zuvor die Corona-Pandemie einen Strich durch die Rechnung zu machen.

Globalisierung

Nach dem Zusammenbruch der „real existierenden Sozialismus“ verdichteten sich die Handelsströme, es wurde grenzübergreifend kräftig investiert, in Schwellenländern günstig produziert und „just in time“ rund um den Erdball geliefert. Gewinner sollten sowohl Lieferanten als auch Empfänger sein. Die Globalisierung schien unaufhaltbar zu sein.

Harte Disruption

Prof. Benjamin Niestroj, Professor für digitale Ökonomie am Zukunftsinstitut
Prof. Benjamin Niestroj, Deutsches Zukunftsinstitut

Doch dann kam Corona und legte wichtige Lieferketten lahm, der Ukraine-Krieg sorgte für eine weitere heftige Erschütterung des Systems. Letztlich spricht der Kampf gegen den Klimawandel für regionale Produktion. Ist der Traum von Globalisierung somit ausgeträumt? Benjamin Niestroj, Professor für digitale Ökonomie am deutschen Zukunftsinstitut, glaubt das nicht: „Die Globalisierung lässt sich nicht mehr umkehren. Wir sehen viel mehr, dass sich ihre Qualität der ändert. Dass in diesem Prozess temporär die quantitativen Maßzahlen rückgängig sind, ist kein Beweis für eine komplette Trendumkehr.“

Sicher werde die Globalisierung laut dem Experten in den 2020er und 2030er Jahren nicht mehr den Charakter der 1990er Jahre haben, bei denen der globale Freihandel über alle politischen Grenzen hinweg das Leitbild darstellte. Aber man werde auch über die globalen politischen Bruchstellen hinweg zur wirtschaftlichen Kooperation gezwungen sein: „So bestehen einfach enge Interdependenzen zwischen vielen Ländern mit unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Systemen – Stichwort Lieferketten. Die Globalisierung hat für gegenseitige Abhängigkeiten gesorgt, die nicht nur negativ zu bewerten sind. Vielmehr hat der Megatrend Globalisierung, bei allen nachteiligen Effekten, für einen enormen globalen Wohlstandsschub gesorgt.“

„Slowbalisation“

Mit der Globalisierung beschäftigt sich auch ausführlich das IMK (Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung): „In der Nach-Corona-Zeit ist mit einer gewissen Deglobalisierung zu rechnen“, schreibt Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des IMK. Viele Länder würden mit Vorschriften und Anreizen dafür sorgen, dass zentrale Produkte der Daseinsvorsorge stärker als bislang im heimischen Markt hergestellt werden. Unternehmen werden die Risiken von grenzüberschreitenden Wertschöpfungsketten stärker einbeziehen und damit ebenfalls eine – zumindest teilweise – Renationalisierung von Lieferbeziehungen einleiten.

Beim IMK glaubt man weiters, dass sich die globalen Handelsbeziehungen nach der 2008 losgetretenen weltweiten Wirtschaftskrise zwar wieder erholt haben, aber in eine Phase der Stagnation eingetreten sind. Der rasante Wachstumsschub, der maßgeblich von der Integration Chinas in die Weltwirtschaft nach dem WTO-Beitritt 2001 geprägt war, kann in dieser Form nicht wiederholt werden. Wir sehen also eine Entwicklung, die auch als „Slowbalisation“ (langsame Globalisierung) bezeichnet wird.

Grüner Weg?

Ziehen wir ein Fazit: Treiber der Globalisierung sind weiterhin die Potenziale, neue Märkte mit neuen Produkten zu erschließen. Die Globalisierung ist also nicht abgesagt, sie hat aber Hürden zu überwinden. Wahrscheinlich ist es auch gut so, wenn das „Globale Dorf“ langsamer aufgebaut und qualitativer versorgt wird. Denn so ist es ja nicht im Sinne der Nachhaltigkeit, permanent Güter und Rohstoffe massenhaft rund um den Globus zu schippern. Lässt sich das nicht mit regionaler Produktion besser gestalten? Niestroj: „Das ist grundsätzlich richtig. Tatsächlich beobachten wir den Trend hin zum Near- und Friendshoring. Hierbei ist es wichtig anzuerkennen, dass Produktion und Handel durch marktliche Mechanismen geleitet werden sollten. Wenn wir beispielsweise durch staatliche Regulation Kleidung nur noch lokal produzieren dürfen, dann werden die Preise für Bekleidung in Europa deutlich anziehen. Die Frage ist: Wollen wir das?“

Dies würde das verfügbare Einkommen der Menschen schmälern, welches ohnehin schon durch die Inflation gebeutelt ist. Der Experte: „Bei der Diskussion müssen wir auch sehr vorsichtig sein, nicht nach staatlicher Lenkung zu rufen. Man stelle sich vor, dass auf europäischer Ebene entschieden werden soll, welche Produkte wo genau zu produzieren sind. Dies wäre eine für die Bürokratie nicht zu stemmende Aufgabe, die unsere Wirtschaft ruinieren würde.“ Wobei es natürlich andere Stimmen gibt, die gerade nach mehr staatlicher Regulierung laut werden. Welcher Weg sich durchsetzt, ist letztlich eine demokratiepolitische Entscheidung.

Lesen Sie die ausführliche Story in der
GELD-Magazin Ausgabe Nr. 4/2023

Harald Kolerus 2-e1666618640728
Mag. Harald Kolerus GELD-Magazin / Redakteur

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