Ukraine: Der Krieg kennt nur Verlierer
Der Krieg gegen die Ukraine verwüstet das Land, der wirtschaftliche Schaden beträgt jetzt bereits mehrere hundert Milliarden Dollar. Aber auch Russland selbst leidet unter der Attacke, weiß Osteuropa-Experte Mario Holzner.
Das Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) ist auf Studien in Zentral-, Ost- und Südosteuropa (CEE und SEE) spezialisiert, ein Schwerpunkt liegt auch auf der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten. Somit ist wiiw-Direktor Mario Holzner ein idealer Ansprechpartner für die Entwicklung in der nächsten Nachbarschaft Österreichs – und für die Ukraine sowie Russland.
Früher herrschte unter österreichischen Unternehmen mit Blick auf Osteuropa Goldgräberstimmung. Das ist jetzt aber doch aus den Schlagzeilen geraten – ist Ernüchterung eingekehrt?
Ich möchte in diesem Zusammenhang keinesfalls von einem Rücksetzer sprechen. Österreich war ein First Mover in der Region, auch in kleineren Ländern wie Kosovo, die für größere Player nicht so attraktiv waren. Österreich hatte und hat den Vorteil der geschichtlichen, kulturellen, sprachlichen und manchmal sogar familiären Bindung. Heimische Unternehmen haben beachtliche Investitionen getätigt, jetzt ist die „Pay-Back-Zeit“ gekommen, das heißt Profite werden eingefahren.
Wie wichtig sind CEE und SEE heute für die heimische Wirtschaft und österreichische Unternehmen?
Die Region wächst über den Daumen gepeilt doppelt so schnell wie Westeuropa und bleibt damit interessant. Das gilt vor allem für Österreich: Unsere direkten Exporte nach CEE und SEE sind fast genauso wichtig wie die nach Deutschland.
Zur Ukraine: Ist es möglich den ökonomischen Kriegs-Schaden abzuschätzen?
Die Weltbank spricht von Kriegskosten in Höhe von mehreren hundert Milliarden US-Dollar. Die genauen Zahlen lassen sich jetzt nicht eruieren, klar ist, dass es um enorme Summen geht. Teile des Ostens und Südens der Ukraine werden aufgrund von Verminung, Zerstörung etc. für Jahrzehnte Brachland sein. Auch das demographische Problem wird sehr langfristig sein, Millionen Menschen haben das Land verlassen, viele werden nicht zurückkehren. Was den angestrebten EU-Beitritt nach Kriegsende betrifft, müsste der Westen die Ukraine aktiv unterstützen. Und keine Hinhaltetaktik wählen, wie bei den Westbalkanstaaten.
Manche behaupten, die Sanktionen würden Europa mehr schaden als Russland.
Es war von Anfang an klar, dass die Sanktionen nicht zu einem sofortigen Regimewechsel in Russland führen konnten. Dass sie nichts bringen, stimmt aber jedenfalls nicht. Zu bemerken ist das zum Beispiel bei dem Preis-Cap für russische Öl-Exporte, das Land muss Abschläge bei Erdölausfuhren nach Indien, China etc. hinnehmen. Wir erwarten, dass Russland heuer ein Budgetdefizit von 3,5 Prozent schreiben wird, in den nächsten Jahren wird das wohl ähnlich ausfallen. Durch Investments ins Militär kann zwar das BIP gesteigert werden, was nicht heißt, dass das gut für die Gesellschaft ist. Denn dafür müssen anderswo Abstriche gemacht werden.
Lesen Sie das ausführliche Gespräch in der
GELD-Magazin Ausgabe Nr. 4/2023