fbpx
2. August 2022

Es war einmal…das Sommerloch

Zinsanhebungen, Inflation, Rezession – ein ruhiger Sommer fühlt sich anders an. „Während in den USA die Notenbank Fed immer noch um ein ‚Soft Landing‘ kämpft, d. h. die Wirtschaft nicht kollabiert, bevor die Inflation zurückgeht, scheint in Europa ein Einbruch der Wirtschaft zunehmend unvermeidbar“, sagt Thomas Böckelmann, leitender Portfoliomanager der Vermögensmanagement Euroswitch.

Thomas Böckelmann
Thomas Böckelmann, leitender Portfoliomanager der Vermögensmanagement Euroswitch

Die Fed hat sich durch beeindruckende Zinsanhebungen wieder Puffer für neue Zinssenkungen und andere Fördermaßnahmen erarbeitet. Die Europäische Zentralbank EZB hingegen schwanke laut Böckelmann unverändert zwischen ihrem offiziellen Mandat und politischen Motiven. Die im Juli seit elf Jahren erstmals erfolgte Zinsanhebung um 0,5 % auf jetzt 0,0 % beendet zwar das Experiment des negativen Zinses, war aber wohl doch nur ein Kompromiss zwischen dem Kampf für Preisstabilität und dem Bemühen, die Eurozone zusammenzuhalten: „In diesem Zusammenhang wird gerne der Begriff der ‚Fragmentierung‘ benutzt. Dennoch ist mit der jüngsten Zinsanhebung die nebulöse Auflage eines neuen Maßnahmenprogramms mit dem Namen TIP (Instrument zur Absicherung der Transmission) erfolgt, deren noch festzulegende Kriterien vermutlich erneut zu Staatsanleihekäufen und somit zur indirekten Staatsfinanzierung führen werden. Und damit dürfte es vor dem ein oder anderen Verfassungsgericht zwecks Prüfung landen“, prophezeit der Experte.

Fuß von der Schuldenbremse?

Folge man der Logik der EZB ist laut Finanzmarktexperte eine erfolgreiche Geldpolitik nur möglich, wenn es offenbar keine Zinsdifferenzen mehr gebe, die Eurozone quasi eine Schuldenunion ist, welches im Widerspruch zum originären Geist von Maastricht steht. Allerdings sei von diesem Geiste ohnehin nur Deutschland und wenige Mitstreiter berührt gewesen, die meisten Eurostaaten huldigen seit jeher der Verschuldung. Böckelmann warnt: „Auch wenn versucht wird, den Tag einer Entscheidung hinauszuzögern, irgendwann wird die Frage gestellt werden müssen, ob unter Inkaufnahme einer Schuldenvergemeinschaftung die Eurozone erhalten werden soll, weil es dazu keine Alternative gibt. Spätestens dann wäre Deutschland der Verlierer mit seinem symbolischen Festhalten an der Schuldenbremse. Man sollte schnellstens überlegen, alle Versäumnisse der Regierung Merkel, also der Unterinvestition bei Infrastruktur, international konkurrenzfähiger Bildung, Digitalisierung, Energiesicherheit, innerer Sicherheit und, und, und mit Schulden zu begegnen, da diese ohnehin irgendwann in einem Topf landen werden.“

Erfreuliche Nachrichten, extreme Reaktionen

Bei allen geldpolitischen und auch geopolitischen Entwicklungen ist ein Blick auf die im letzten Monat eröffnete Berichtssaison der Unternehmen entscheidend, vor allem für die Aktienmärkte. Erstmals wurde über ein vom Ukraine-Krieg vollständig betroffenes Quartal berichtet und erstmals konnten die Unternehmen im Detail über die erfahrene Inflationswirkung sowie die unveränderte oder verstärkte Versorgungsproblematik bei zahlreichen Produkten berichten.

Aktuell haben etwa 50 % der börsennotierten Unternehmen berichtet, beachtliche 70 % die Erwartungen erfüllt oder übererfüllt und das, obwohl diese Erwartungen trotz der negativen Entwicklungen in der Welt auf vergleichsweise hohem Niveau gehalten wurden.

„Die Marktreaktionen fallen individuell und teilweise heftig aus. Bei den Indexschwergewichten scheint es auszureichen, wenn diese die Erwartungen erfüllen, bei anderen ist schnell die Schwelle zur Euphorie oder zur Enttäuschung erreicht“, so Böckelmann. Auch zeigen sich unterschiedlichen Strategien der Unternehmen im Umgang mit der Inflation. Einige Marktführer haben bereits erhöhte Preise bei Konsumenten durchsetzen können, andere opfern aktuell noch ihre Marge und versuchen so Marktanteile zu erobern. Der Fondsmanager weiter: „Speziell in Europa bleibt aber die Frage offen, was im Falle eines Gaslieferstopps passieren wird. Die Politik bleibt aktuell um Antworten bemüht und scheint zunehmend ergebnisoffen bislang auch ideologisch vermintes Gebiet zu betreten. Das ist begrüßenswert, wenn auch davor gewarnt werden muss, der Versuchung nachzugeben und in Preisfindungsmechanismen einzugreifen. Nicht die Märkte sind schuld an den Engpässen, sondern politische Fehlentscheidungen.“

Generell ist bislang von einer befürchteten Gewinnrezession in großem Ausmaß wenig zu sehen – Preisanstiege wie Lieferprobleme scheinen in vielen Branchen verdaut oder mit Innovation begegnet worden zu sein. „Wir fühlen wir uns in unserer Einschätzung bestätigt, unser Aktienengagement zu halten und bei der Aktienauswahl unverändert auf Qualität und strukturelles Wachstum zu fokussieren“, so der Fondsmanager abschließend. Vielleicht könnte es doch ein ruhiger Sommer werden.

Vermögensmanagement Euroswitch/SJ

Zum Newsletter anmelden

Bestellen Sie kostenfrei und unverbindlich den GELD-Magazin Newsletter, als optimale Ergänzung zur Print-Ausgabe von GELD-Magazin!
Zwei Mal im Monat versenden wir den Newsletter mit Themen rund um den Finanzmarkt und Wirtschaft.

Sie haben sich erfolgreich eingetragen.